Die Bibel ist kein Buch wie jedes andere. Auch in Hinblick auf ihre Ăbersetzungsgeschichte nimmt sie eine Sonderstellung ein. Kein Buch wurde, ganz oder teilweise, in so viele verschiedene Sprachen Ăźbersetzt. Ăber Jahrhunderte beschäftigte die Frage nach der Legitimität volkssprachlicher laikaler BibellektĂźre nicht nur Theologen und Intellektuelle. Einerseits war das Wort Gottes unter allen Umständen vor verfälschenden Eingriffen oder Fehlinterpretationen zu bewahren,andererseits sollte es als heilsnotwendige Grundlage des christlichen Glaubens und
âtextuelle Basisâ der Liturgie einer mĂśglichst groĂen Ăffentlichkeit zugänglich sein.
Auch im Schrifttum der Devotio moderna, einer FrĂśmmigkeitsbewegung, die Ende des 14. Jahrhunderts in den Niederlanden entstand, spiegelt sich dieser Konflikt.
Anhand zweier Gerhard Zerbolt von Zutphen zugeschriebener Traktate, âDe libris teutonicalibusâ und dem siebenten Kapitel von âSuper modo vivendiâ zeichnet Priska Mielke die Argumentationslinien der âBrĂźder vom gemeinsamen Leben nachâ und geht gleichzeitig der Frage nach, welchen Einfluss die Ăbersetzung eines Traktates Ăźber die Legitimität von BibelĂźbersetzungen auf dessen sprachliche Gestalt, Adressatenbezug und Zitierpraxis hatte.
Gerade ihre Haltung in Bezug auf die laikale BibellektĂźre hat der Devotio moderna den Ruf einer âReformationsbewegung avant la lettreâ eingetragen, eine Auffassung, die sich so weder in âDe libris teutonicalibusâ noch in Hinblick auf andere Konfliktpunkte bestätigt findet.