Ernst Viebig, einziger Sohn der Eheleute Fritz Theodor Cohn, Verlagsbuchhändler, und der Dichterin Clara Viebig, wird am 10. Oktober 1897 geboren. Der Untertitel dieses Buches - 'Einer berßhmten Mutter jßdischer Sohn erinnert sich' - nimmt Bezug auf Clara Viebigs 1906 - da ist der Autor neun Jahre alt - erschienenen Roman 'Einer Mutter Sohn'. Der Roman trägt im Vorsatz die Widmung 'Meinem Sohne zu der Zeit, da er groà sein wird'.
Geradezu prophetisch, so will es einem scheinen, schildert Viebig eine schwierige Mutter-Sohn-Beziehung mit tragischem Ausgang. Wie im Roman, so wird im wahren Leben die Beziehung von Clara Viebig zu ihrem Sohn Ernst stets eine schwierige sein. Davon berichten die 1957 im brasilianischen Exil niedergeschriebenen und hier erstmals vollständig verÜffentlichten Erinnerungen sehr ausfßhrlich.
Daneben stellen die Erinnerungen auch ein Zeitdokument der zwanziger und frĂźhen dreiĂiger Jahre des vorherigen Jahrhunderts dar, fĂźhrten doch die Viebigs ein offenes Haus fĂźr KĂźnstler, und der Autor hat durch seinen Beruf als Kapellmeister, Komponist und Redakteur einer Musikzeitschrift auch Kontakt zu allen, die in der Musikszene der Weimarer Republik Rang und Namen hatten: Gerhard Hauptmann, Cäsar Flaischlen, Georg von Ompteda, BĂśrries von MĂźnchhausen, Ina Seidel, Franz Werfel, Heinrich Zille, Wilhelm Furtwängler, E. N. von Reznicek, Fritz Kreisler, Marlene Dietrich, Theo Mackeben, Eduard KĂźnneke, Erich Wolfgang Korngold, Herbert Eulenberg, Louis Trenker, Albert Einstein, um einige zu nennen.
Ernst Viebigs ausgeprägte Kßnstlernatur, die zahlreichen Amouren, fßhren zu ständigen Konflikten mit seinen Eltern. Seine so erfolgsversprechend begonnene Musiklaufbahn endet abrupt, als 1933 die Nationalsozialisten die Macht ergreifen: Als Halbjude muss er 1934 Deutschland verlassen. Hier enden auch seine Aufzeichnungen.
Wie aus dem Nachwort der Ehefrau und seiner Tochter Susanne hervorgeht, die Ehemann bzw. Vater nach Brasilien nachgefolgt waren, kann Ernst Viebig in seinem Beruf dort nicht mehr FuĂ fassen; er erleidet das Emigrantenschicksal wie viele seiner Zeitgenossen. Seine Mutter besucht ihn vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges noch einmal kurz, dann aber sieht er sie nie wieder. Er kehrt 1958 nach Deutschland zurĂźck und verstirbt am 18.09.1959 in Eggenfelden.