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Leb wohl, Rapunzel

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Hier ist also der zweite Teil der Memoiren des C.U. Wiesner, die da weitermachen, wo seine Kindheitserinnerungen aufgehört hatten – in seiner Geburtsstadt Brandenburg an der Havel.

SpĂ€ter ist von Berlin die Rede oder wie es der Autor selber ausdrĂŒckt: Nach dem Abitur versucht mich die Großstadt Berlin an ihren gewaltigen Busen zu drĂŒcken. Diese Liebe ist zunĂ€chst einseitig, nicht aber meine Liebe zu Luise, die nun fĂŒr ein Jahr im StĂ€dtischen Dolmetscherseminar neben mir sitzt.

In dem Kapitel „Wenn ich von meiner Fahrenszeit berichte“ kommt der Autor zunĂ€chst auf ein Geheimnis zu sprechen, das er eigentlich mit ins Grab nehmen wollte – ein verhinderter Seemann zu sein –, und viele Seiten spĂ€ter bekennt er auch, nie ein richtiger Segler gewesen zu sein, obwohl er sich eine Zeit lang als solcher gefĂŒhlt habe.

Ich besaß ein eigenes Boot und war KapitĂ€n und Steuermann in Personalunion. Nun ja - der Wahrheit die Ehre -, ich besaß das Boot nur zur HĂ€lfte. Die andere gehörte Rapunzel, und damit kommt er endlich zur wichtigsten Gestalt dieses Buches und berichtet, wie es mit beiden angefangen hat und weitergegangen ist.

Rapunzel war genauso alt wie ich und hatte im selben Sommer das Abitur bestanden.

Rapunzel hieß laut Personalausweis Luise Annegrete Agathe Hartrampf. Luise war als Rufname unterstrichen. Ihr langes naturblondes Haar, das sie zuerst in Schnecken, spĂ€ter als Mozartzopf mit schwarzer Samtschleife und schließlich als Pferdeschwanz trug, hatte ihr zu dem Spitznamen aus dem MĂ€rchen der GebrĂŒder Grimm verholfen. Sie war das schönste, anmutigste und lieblichste weibliche Wesen in der Havelstadt, nein, im gesamten damaligen Land Brandenburg - da dulde ich noch heute keine Widerrede von ehemaligen MitschĂŒlern und vor allem MitschĂŒlerinnen.

Drei Jahre nach dem Abitur lebten wir beide - vorwiegend jeder in seiner eigenen Behausung, wie es sich amtlich gehörte - in der großen, uns immer noch kĂŒhl und fremd anmutenden Stadt Berlin und waren zunĂ€chst heimlich, dann aber mit elterlichem Segen verlobt und trugen gar ein gĂŒlden Ringelein, Schatz, an unserm Fingerlein.

Doch dann kommt es zum allabendlichen Streit ĂŒber den diesjĂ€hrigen Urlaub: WĂ€hrend Luise mit ihm eine Radtour durch die deutschen Lande jenseits des Großen Flusses unternehmen wollte – was damals noch möglich und nicht sehr problematisch war – hatte Wiesner keine Lust, in den Westen zu fahren. Doch dann beendete der den Streit durch einen Kompromiss.