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Lebendige Seelsorge 3/2015 : Vergebung

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"Ich hoffe, dass Sie und ich uns als ehemalige Gegner als Menschen begegnen können". Mit diesen Worten ging vor wenigen Wochen Eva Kor, eine 70jĂ€hrige Holocaust-Überlebende, am Rande des LĂŒneburger Auschwitz-Prozesses auf den ehemaligen SS-UnterscharfĂŒhrer Oskar Gröning zu. Sie reichte dem Mann, der der Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 FĂ€llen angeklagt ist, die Hand zur Vergebung.

Was Frau Kor als Geste der Selbstheilung und Selbstbefreiung beschrieb, hat in der Öffentlichkeit hohe Wellen geschlagen: fĂŒr die einen war es eine beeindruckende Geste, fĂŒr andere eine Unmöglichkeit. Nicht wenige der Opfer, die als NebenklĂ€ger im Verfahren auftreten, betonten, dass es bis heute allein die Opfer gewesen seien, die den Hass ĂŒberwunden und zur AufklĂ€rung ĂŒber die Verbrechen beigetragen hĂ€tten. Die TĂ€ter aber hĂ€tten geschwiegen - und weder zur Wahrheitsfindung beigetragen noch Zeichen der Reue gezeigt. Außerdem komme es den Überlebenden gar nicht zu, im Namen der unzĂ€hligen Toten die an ihnen begangenen Verbrechen zu verzeihen.

Die Erfahrung, vergeben zu bekommen und die Erfahrung, vergeben zu können, gehören zum Faszinierendsten, was Menschen erleben können. Beide sind nicht nur Kernbestand religiöser Traditionen, vor allem des Christentums, sondern - ganz praktisch - wesentliche Elemente eines glĂŒcklichen Lebens. Jenseits der frommen Floskeln wird es aber schnell heikel. Und sehr konkrete Fragen tauchen auf: MĂŒssen Christen jedem und alles vergeben? Was hilft es zu glauben, dass Gott vergibt - wenn Menschen das nicht tun? Wie lĂ€sst sich heute von Vergebung reden, ohne den Respekt vor den Opfern zu verlieren?

Von diesen Fragen ist das Heft inspiriert.