GroĂe Ereignisse sind die Paukenschläge unserer Biografien. Genauso entscheidend aber sind die leisen, andauernden TĂśne des Alltags, den wir meistern mĂźssen und der die Klangfarbe des Lebens ausmacht. Max Kretzer hat in seinen "Lebensbildern" die kleine Form der Biografie gewählt, um in sechs Erzählungen aus der industrialisierten Welt der Fabrikanten und Arbeiter Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zu erzählen. Die Tochter des Teppichfabrikanten erhascht nur einen kleinen Blick in die unbarmherzigen Arbeitsbedingungen in der Fabrik ihres Vaters. Auch Ada, die âshocking! â mit einem Kellner anbandeln will, heiratet am Schluss klassengemäĂ. Der VarieteekĂźnstler Saschi, Milly Scherz und der Angestellte August Brummer aber mĂźssen sich durch unwirtschaftlich unsichere Zeiten kämpfen â nicht jeder von ihnen Ăźbersteht das gut. Nur Familie Schulze hat beste Chancen. Ihr Zigarettengeschäft läuft ⌠bis nach und nach die ganze Familie das Radfahren entdeckt. Sechs originelle Miniaturen zum Wiederentdecken fĂźr den Leser von heute.
Max Kretzer (1854â1941) war ein deutscher Schriftsteller. Kretzer wurde am 7. Juni 1854 in Posen als der zweite Sohn eines Hotelpächters geboren und besuchte bis zu seinem 13. Lebensjahr die dortige Realschule. Doch nachdem der Vater beim Versuch, sich als Gastwirt selbstständig zu machen, sein ganzes VermĂśgen verloren hatte, musste Kretzer die Realschule abbrechen. 1867 zog die Familie nach Berlin, wo Kretzer in einer Lampenfabrik sowie als Porzellan- und Schildermaler arbeitete. 1878 trat er der SPD bei. Nach einem Arbeitsunfall 1879 begann er mit der intensiven LektĂźre von Autoren wie Zola, Dickens und Freytag, die ihn stark beeinflussten. Seit dem Erscheinen seines ersten Romans "Die beiden Genossen" 1880 lebte Kretzer als freier Schriftsteller in Berlin. Max Kretzer gilt als einer der frĂźhesten Vertreter des deutschen Naturalismus; er ist der erste naturalistische Romancier deutscher Sprache und sein Einfluss auf den jungen Gerhart Hauptmann ist unverkennbar. Kretzer fĂźhrte als einer der ersten deutschen Autoren Themen wie Fabrikarbeit, Verelendung des KleinbĂźrgers als Folge der Industrialisierung und den Kampf der Arbeiterbewegung in die deutsche Literatur ein; die bedeutenderen Romane der 1880er und 1890er Jahre erschlossen Schritt fĂźr Schritt zahlreiche bislang weitgehend ignorierte Bereiche der modernen gesellschaftlichen Wirklichkeit fĂźr die Prosaliteratur: das Milieu der GroĂstadtprostitution (Die Betrogenen, 1882), die Lebensverhältnisse des Industrieproletariats (Die Verkommenen, 1883; Das Gesicht Christi, 1896), die Salons der Berliner "besseren Gesellschaft" (Drei Weiber, 1886). Sein bekanntester Roman, "Meister Timpe" (1888) ist dem verzweifelten Kampf des Kleinhandwerks gegen die kapitalistische Konkurrenz seitens der Fabriken gewidmet. Während Kretzer anfangs der deutschen Sozialdemokratie nahestand, sind seine Werke nach der Jahrhundertwende zunehmend vom Gedanken eines "christlichen Sozialismus" geprägt und tragen in späteren Jahren immer mehr den Charakter reiner Unterhaltungsliteratur und Kolportage. Er starb am 15. Juli 1941 in Berlin-Charlottenburg.