In einer malerischen Kleinstadt des ländlichen Frankreich wird durch glücklichen Zufall eine uralte Schrift entdeckt. Sie ist das einzig verbliebene Dokument einer längst vergessenen Religion, die sich auf eine Göttin bezieht. Sie lehrte die Philosophie des Lebens, die Macht des Augenblicks, die Erweiterung des Bewusstseins hin zum Erkennen der eigenen Beschränkungen.
Jene Religion, die etwa 250 Jahre vor Christi Geburt im antiken Griechenland entstand und über die Enklave Marseille oder "Massalia" nach Nordeuropa kam, wurde in einer immer kleiner werdenden Gemeinschaft gepflegt und schließlich von der letzten Zeugin, einer alten Französin, zwei Autoren aus Deutschland offenbart. – Oder ist alles ein Fake?
Der Roman "Lust" ist der erste aus einer Reihe, die sich im Rahmen von erzählerischen Geschichten mit philosophischen Themen beschäftigen. Es gibt in allen jeweils eine Gruppe von Freunden, die sich in ihren Gesprächen, Aktivitäten, Reisen, Plänen und Träumen gemeinsam auf diese (philosophische) Weise weiterentwickelt.
"Lust" erzählt in zwei sich verstrickenden Handlungssträngen einerseits von einem Freundeskreis, der in einer gewissen Krise steckt, weil allen vier Teilnehmern klar geworden ist, wie autonom und uneinnehmbar die individuellen Weltbilder doch sind. Der Protagonist (der Ich-Erzähler) zieht sich zurück ins private, idyllische Leben zuhause und erlebt, wie die tiefgreifenden Gespräche der Gruppe andererseits zum Trigger für einen zweiten Erzählstrang werden, der sich um Epikurs Garten rankt.
Die alte Schule dieser griechischen Philosophierichtung fasziniert ihn zunehmend und wird in seinen Vorstellungen lebendig.
Einer seiner Freunde reaktiviert ihn mit einer Idee voller Enthusiasmus und Kreativität: Er überredet ihn, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten, das verrückter und absurder in der modernen Zeit des 21ten Jahrhunderts nicht sein könnte: die Gründung einer neuen Religion.
Nach anfänglicher Skepsis lässt sich der Protagonist auf die Ideen seines Freundes Fred ein und auch die übrigen Teilnehmer des Vierer-Kreises gesellen sich nach und nach zögernd dazu.
Epikur und seine Philosophie liefern in der Phantasie des Erzählers die Grundlage für etwas, das schon einmal, vor zweitausend Jahren, an der Schwelle zu einer eigenen Religion stand. Und bei allem ernsthaften Bemühen der Gruppe wird das Unternehmen trotzdem schon bald karikaturhafte Formen gewinnen, ohne dass sie selbst es bemerken.
Epikurs Garten als Legende, als Symbol für eine Befreiungsphilosophie, geht aus den Wirren um die Bemühungen Freds und seiner Freunde am Ende rein und geläutert hervor, während alle Aktivitäten um ein angeblich in Frankreich aufgefundenes antikes Dokument und eine noch lebende letzte Zeugin der untergegangenen Religion in ein Dilemma abrutschen, das alle Beteiligten zurückruft zu einer Besinnung auf die Urantriebe für genaues und ehrliches Denken und Empfinden.
Die Unternehmung der vier Hobby-Philosophen jedoch gewinnt aufgrund der investierten Euphorie eine Eigendynamik, die sich bis zum Zusammenbruch der Phantasien kontinuierlich steigert. Zunächst scheint alles zu gelingen; es bilden sich die ersten ernstgemeinten Keimzellen des neuen Glaubens. Es kommt zu einem lebhaften Interesse von Seiten der Medien. Die Motivationen wirken echt und korrekt. Und doch bleibt ein leiser Zweifel des Ich-Erzählers. Sind doch die Zutaten zur Religionsgründung nicht wirklich belastbar, manifest; handelt es sich doch um zweckdienliche Versatzstücke, die man geschickt einsetzt.
Auf dem Höhepunkt der erfolgreichen Aufwärtsbewegung holt die Realität schließlich diese Fata Morgana ein. Die letzte Zeugin jener erfunden Religion und ihr "Dokument" bringen den Schwindel zu Fall. Es bleibt eine Rückbesinnung auf den von jedem Ehrgeiz freien Kern der Philosophie Epikurs, die ursprünglich als Vorbild gedient hatte.