(0)

Vorenthaltene Freiheit zwischen Religion und Psychiatrie

E-book


Die Tanzwut (italienisch: "tarantismo") ist ein historisch-religiöses PhĂ€nomen, das bis vor wenigen Jahrzehnten hauptsĂ€chlich in kleinen Dörfern SĂŒditaliens vorkam.

Es geht auf das griechische Zeitalter zurĂŒck. Berichten zufolge wurden einige Tagelöhnerinnen in der Sommersaison auf den Tabakfeldern von einer Spinne, der sogenannten Vogelspinne, gebissen. Der Biss verursachte eine Reihe von Symptomen, wie beispielsweise einen Zustand psychischer und körperlicher Abwesenheit, Appetitlosigkeit und sexuellen Verlangens. Es handelt sich somit um eine Art physischer Katalexie.

Einige Dorfbewohner hielten diese Frauen fĂŒr geistig gestört. Die sogenannten "Tarantate" oder "Pizzicate", auf Deutsch die "Gebissenen" genannt, waren arme junge BĂ€uerinnen, die in verlassenen LandhĂ€usern ohne Licht und Toiletten lebten, von den MĂ€nnern ihrer Familien gedemĂŒtigt wurden und ein Leben voller Arbeit und sozialer, emotionaler und sexueller EinschrĂ€nkungen fĂŒhrten. Um den 29. Juli, das Fest des Heiligen BeschĂŒtzers, Sankt Paulus, zeigten die Frauen eine unerwartete körperliche VitalitĂ€t. Sie wurden aggressiv, legten erotische Haltungen an den Tag und bewegten sich wie Spinnen, indem sie auf Möbel kletterten oder am Boden herumkrabbelten. Einige Musikanten besuchten sie in ihren armseligen HĂ€usern, um ein musikalisches Ritual durchzufĂŒhren. Dann wurden sie zur Kirche des Heiligen Paulus nach Galatina gefĂŒhrt.

Dann zeigten andere Frauen dieselben Symptome, obwohl sie nicht auf den Tabakfeldern arbeiteten und daher nicht von der Vogelspinne gebissen worden waren. Mit anderen Worten lehnten sich diese Frauen gegen ihren Zustand existenzieller Armut auf, in dem ihnen alles, auch Zuneigung und SexualitÀt, vorenthalten wurden.

Die folgende ErzÀhlung berichtet von einer "Tarantata", die in den 1960er Jahren des italienischen Wirtschaftswachstums immer noch anachronistische Verhaltensweisen an den Tag legt, die von der Kirche und auch von der Medizin nicht lÀnger toleriert werden.