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Was Europa kann - die Vision des Erasmus von Rotterdam

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Politische und konfessionelle Grenzen ĂŒberwinden und eine neue europĂ€ische Gemeinschaft bilden: Dies war das Ziel des Erasmus von Rotterdam. Das Engagement, das der Humanist im Leben fĂŒr religiöse und kulturelle Erneuerung als Gelehrter aufwendete, ist bekannt. Die TĂ€tigkeiten der Erasmusstiftung, die die Ideale des Erasmus in konkrete TĂ€tigkeit wandelte, sind allerdings weniger bekannt. Ein grenzenloser und religionsĂŒbergreifender Wandel in einer friedlichen AtmosphĂ€re waren Sinn und Zweck seines Lebens. Dieser Gedanke erfĂŒllte ihn bei seiner intellektuellen und pĂ€dagogischen Arbeit.

Daher war die GrĂŒndung einer Stiftung zur UnterstĂŒtzung von Studenten, Verbannten, Gelehrten und Armen jeglicher Konfession in einem von Staatsgrenzen und religiösen Barrieren zersplitterten Europa eine wesentliche Konsequenzen seines kosmopolitischen Denkens.

Die Stiftung wurde 1538 mit dem Nachlass des Erasmus von dem berĂŒhmten Juristen Bonifacius Amerbach in der toleranten Stadt Basel gegrĂŒndet: Schon im 16. Jahrhundert vergab sie viele Stipendien und Beihilfen an Menschen, ungeachtet deren Geschlechts, Glaubens oder Herkunftshintergrundes, die freiweillig oder aus Not in Europa umherzogen. In einem durch religiöse und staatliche Barrieren geteilten Europa stellte die Erasmus-Stiftung mit ihrer transnationalen und multikonfessionalen Bestimmung ein Unikat dar: ein kosmopolitisches Modell, das zur Festigung einer neuen gesellschaftlichen Ethik beitrug und auf das noch heute zurĂŒck gegriffen werden kann, um die Werte SolidaritĂ€t, Kultur und Gastfreundschaft zu bekrĂ€ftigen.

Noch eine andere Problematik wird bei der BeschĂ€ftigung mit der Erasmusstiftung erkennbar: die Toleranz der europĂ€ischen Gesellschaft in Theorie und Praxis. Neuere historische Studien zeichnen ein facettenreiches Bild des Zusammenlebens der unterschiedlichen Kulturen und Religionen im "Zeitalter der Konfessionen". Der wachsenden Unversöhnlichkeit der Kirchen standen immer kĂŒhnere Theorien ĂŒber religiöse und staatliche Freiheiten gegenĂŒber, aber auch konkretes Handeln und der Wert des Allgemeinwohls ĂŒberhaupt, die sich in einer möglichst friedlichen und toleranten Welt entwickeln sollten. Zuversichtlich hoffte man, damit Konflikte zu entschĂ€rfen, Konfessionsbarrieren zu ĂŒberwinden und schließlich die SĂ€kularisierung der europĂ€ischen Gesellschaft anzustoßen.

Das VerstĂ€ndnis der Gegenwart und die Planung der Zukunft hĂ€ngen vom Wissen ĂŒber die Vergangenheit ab. Die genauere Kenntnis der Erasmusstiftung vermag Argumente zu liefern gegen immer neu aufflammende nationalistische, religiöse und fanatische Tendenzen, die die Chancen einer gesellschaftlichen und persönlichen Verbesserung verhindern und den friedlichen europĂ€ischen Raum, der auf den TrĂŒmmern von schrecklichen Kriegen aufgebaut wurde, zerstören wollen. Die Abhandlung ĂŒber ein Europa ohne Grenzen im Sinn von Erasmus ist eine Hommage an eine Gesellschaft, die auf Werte wie Dialog, Austausch und Inklusion setzt und in der sich die Vorstellung vom WeltbĂŒrger abzeichnet. Sie soll die Utopie des Humanisten von einer wahrhaft menschlichen Menschheit ins GedĂ€chtnis rufen.