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Ansteckkino: Eine politische Philosophie und Geschichte des Pandemie-Spielfilms von 1919 bis Covid-19

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Nicht erst die Coronakrise zeigt: Pandemien sind in politische MachtverhĂ€ltnisse eingefasst; gerade dort, wo sie in diese einbrechen. WĂ€hrend Medien, vom Fernsehen bis zur Videokonferenz, Teil der Pandemie-Erfahrung sind, liegt das Kino in einem Halb-Außen: Kino ist zum Kommunizieren zu klobig, fĂŒr Ansteckungsvermeidung zu öffentlich, fĂŒr die audiovisuelle Grundversorgung ĂŒberflĂŒssig in Zeiten der Serienlieferung. Zeitweilig war es geschlossen. Dabei eröffnet Kino mit seinem Massenformat Spielfilm ZugĂ€nge zur Wirklichkeit in ihrer Geschichtlichkeit (und die wird spĂŒrbar, wo etwas nicht verfĂŒgbar ist). Kino-Spielfilme erlauben, das Soziale in der Seuche als Problem wahrzunehmen.

Von 1919 bis Covid-19, von Nazi-Biopolitik und Hollywood-Biopic zu Killerviren-Action und Pandemiepanik-Satire: Spielfilme versammeln, was in einer Masseninfektion an Leben und Dingen ist, an Erfahrung und VerdrÀngung, an Formen von Staatlichkeit und Körperlichkeit, Ausbeutung und Ausgrenzung, Kooperation und Katastrophe. Und sie versammeln auch die Arten des Versammelns; aber nicht als Raster oder getrennte Genre-Haushalte. Es geht um Teilung, nicht Einteilung. Und zwar in Inszenierungen, die Sinn nicht spenden, sondern ihn als fraglichen herausstellen: von zwei Nosferatus und einigen Zombies bis Contagion und Konsorten.

Sinn ist ausgesetzt, aber nicht loszuwerden in Situationen von AussĂ€tzigkeit und Ausnahmezustand. Ihm gilt hier ein versetzt philosophischer Ansatz. In Freundschaft zum Film, vernarrt in viele Filme, zeichnen sich Begriffe und Perspektiven ab – nicht im Allgemein-Zeitlosen, sondern in Nahkontakt mit Szenerien. Im Ansteckkino wechseln Krankheiten und Kontexte: Pest und Pocken, Typhus und AIDS, im Labor Hausgemachtes und kolonial Importiertes. Konstant dabei ist der Konflikt, kategorisch die Kontingenz; den Grund gibt Geschichte. Politik durchzieht alles – ausdauerndes Care Work und Testen, Ausbruch von Wut oder aus QuarantĂ€nen – in 200 Filmen aus 100 Jahren: von Fritz Lang und William Wyler zu 28 Days und 93 Days, vom indischen Retracing zur Hamburger Krankheit.