Bis heute erklingt in Europa der hohe Ton des guten Lebens. BegrĂŒndet ist er im lateinischen Erbe Europas, das der Idee des freien und wĂŒrdigen, des staatlich geschĂŒtzten und rechtssicheren Lebens der Person verpflichtet ist. Lateinisches Erbe heiĂt im Einzelnen: lateinische Kirche mit ihrer Zeiteinteilung, mit ihren Bildungseinrichtungen von Schule und UniversitĂ€t; dann lateinische Schrift als einheitsstiftendes Band fĂŒr die allermeisten Sprachen Europas und schlieĂlich lateinisches Recht als Grundlage fĂŒr ein gesittetes Zusammenleben der Völker.
Allerdings verblasst dieses Erbe seit geraumer Zeit immer mehr: Faschismus und Kommunismus haben es im letzten Jahrhundert auszulöschen gesucht, rechte und linke IdentitĂ€tspolitik polarisieren heute unsere Gesellschaft und Kirchen gleichermaĂen. Staatsverachtung und Rechtsmissachtung korrelieren mit Menschenverachtung, machtpolitischer Moralismus ersetzt zunehmend den öffentlichen Gebrauch der abwĂ€genden Vernunft. Und wieder wird der utopische Versuch zur Gewinnung des "reinen, neuen Menschen" auf die öffentliche Tagesordnung gesetzt.
Will Europa sein lateinisches Gesicht bewahren, muss es Ideologien widerstehen und in neuer Weise Nation und Staatsvolk im integrativen Sinn, Bildung und Recht, Freiheit und PersonenwĂŒrde ins Wort und Recht setzen. Der beste Ansatz dazu ist nach wie vor das christliche, weil realistische Menschenbild.