Geboren wird Fünfblatt, so kommt es ihr vor, in einem Grauwald, umgeben von lichten Wesen. Niemand außer ihr nimmt sie wahr. Und auch die dunklen Wesen, die in dem leicht verhangenen und modrig-feuchten Wald zu Hause sind und ihr im Laufe ihres Lebens oft in Gegenwart manch unangenehmer Menschen begegnen, kann außer ihr niemand sehen. Genauso wenig wie den Löwen, der sie zu beschützen scheint und die Hunde, Affen und Raben verjagt, die ihr immer wieder Angst machen.
Auch als Kind spürt Fünfblatt den Einfluss dieser Lichtgestalten und dunklen Wesen, die sie von der Welt der Erwachsenen trennen, aber nicht vor ihnen schützen können. Nie will sie so werden wie diese, die sich in ihrer engsten Umgebung im ständigen Streit miteinander befinden und seelische Verletzungen austeilen. Doch es kommt anders: Auch sie lebt, wenngleich ohne Absicht, immer wieder im Streit mit anderen und leidet jahrelang widerstandslos unter Demütigungen.
Mit 26 Jahren denkt sie erstmals daran, sich das Leben zu nehmen. Da hat sie ihre Kinder an den Ehemann verloren, der sie hintergeht und austrickst. Sie verliert jeden Halt, greift zu Drogen und lebt auf der Straße oder in den Betten der Männer, die sie unterwegs ein Stück mit dem Auto mitnehmen. Nur in wenigen Momenten begegnet ihr in dieser Zeit der Löwe und gibt ihr vorübergehend Kraft. Die dunklen Wesen aus dem Grauwald bedrohen sie dagegen oft.
Resigniert ergibt sie sich der Haltlosigkeit – bis sie auf Menschen trifft, die sie so akzeptieren, wie sie ist, und sie retten wollen. Sie beziehen ihre Energie aus einem christlichen Glauben, der nicht verurteilt, sondern liebt und heilen will. In der Nacht, als Fünfblatt anfängt, in der Bibel zu lesen, vergisst sie zum ersten Mal, Drogen zu nehmen. Ohne Entzugserscheinungen rührt sie kein Heroin mehr an. Diese Wende ist für sie alles andere als märchenhaft. Denn an Zufälle glaubt sie nicht.