Das zentrale Element der Regiearbeit sei für ihn die Découpage, ließ Eric Rohmer 2004 in einem Interview mit den Cahiers du cinéma seine Gesprächspartner wissen: "Zu filmen, das heißt zu wissen, wo man die Kamera platziert und wie lange sie dort verharren soll. Die Découpage ist für mich das Geheimnis."
Dem Geheimnis von Praxis und Theorie der Découpage begibt sich dieses Buch auf die Spur. Es verfolgt das Konzept zurück bis in die Zeit seiner Entstehung in den 1910er-Jahren und begleitet es durch die wechselhafte Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts: von der Entwicklung und Verbreitung durch den Publizisten, Produzenten und Regisseur Henri Diamant-Berger, für den die Découpage im Film so wichtig war wie die Zeichensetzung im schriftlichen Text, über die künstlerische Aneignung des Konzepts durch die impressionistische Avantgarde der 1920er (Louis Delluc, Germaine Dulac, Jean Epstein), seine Ausdifferenzierung im Zuge zunehmender Kommerzialisierung und Arbeitsteilung im Tonfilm der 1930er und erste Höhepunkte in der Auseinandersetzung mit dem Konzept in der cinephilen Publizistik der 1940er- und 50er-Jahre. Zu jener Zeit avancierte die Découpage zum zentralen Begriff in einflussreichen Schriften des Filmkritikers und -theoretikers André Bazin und bei vielen seiner Zeitgenossen (Alexandre Astruc, Albert Laffay, Roger Leenhardt). Im Zuge späterer Entwicklungen der französischen Filmtheorie (Semiologie, Ideologiekritik, textuelle Analyse) wurde das Konzept dann verdrängt und marginalisiert und behielt nur vereinzelt – so im Werk des Theoretikers Noël Burch – einen wichtigen Stellenwert.
Die Verdrängung des Konzepts und die bald mangelnde Kenntnis seiner Bedeutung trugen zu falschen oder missverständlichen Übersetzungen bei. Im Englischen wurde das Wort meist als cutting oder editing wiedergegeben, im Deutschen als "Schnitt". Semantisch liegt dies insofern nahe, als découper tatsächlich "zerschneiden, ausschneiden, aufteilen, zerlegen" heißt. Im dominanten Wortsinn, als Bezeichnung einer bestimmten filmischen Praxis, ist damit jedoch nicht das physische Zerschneiden (und anschließende Zusammenkleben) des Filmstreifens gemeint, sondern das Zerlegen des filmischen Raums in einzelne Einstellungen und damit die Aufteilung einer Handlung auf eine Einstellungsfolge. Im Deutschen kommt dem der Ausdruck "szenische Auflösung" am nächsten.
Die Découpage lässt sich entsprechend verstehen als Über- oder Umsetzung eines in textlicher oder gedanklicher Form existierenden raumzeitlichen oder narrativen Kontinuums in eine gegliederte bewegtbildliche Form. Dazu gehört die Festlegung der Einstellungsgrößen und ihrer Dauer, die Situierung der Kamera im Verhältnis zu den Darsteller*innen und dem Dekor (die Kadrierung) sowie die Entscheidung für bestimmte Kamerabewegungen und -winkel. Während der Schnitt nach dem Dreh erfolgt, wird die Découpage üblicherweise vor den Dreharbeiten entworfen.
Für Bazin (und andere nach ihm) kam in der Découpage die Handschrift eines auteur zum Ausdruck. So wie sich in Romanen und Erzählungen eine Weltsicht im Schreibstil offenbare, könne die szenische Auflösung im Film psychologische und metaphysische Implikationen haben: Jede Kamerabewegung, jeder Einstellungswechsel oder die Entscheidung für lange, tiefenscharfe Einstellungen mit mehreren Handlungsebenen wird nun signifikant. In Bezug auf William Wylers The Best Years of Our Lives sprach Bazin gar davon, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre eigene Découpage vollziehen könnten: Durch Verlagerung ihrer perzeptiven Aufmerksamkeit auf diesen oder jenen Teil des Kinobildes hätten sie nun die Hoheit über jene Operation, die normalerweise durch die Regie für sie übernommen werde. Diese Technik zeige den liberalen und demokratischen Geist von Wylers Film.