Der Ruhm des Delfter Malers Jan Vermeer (1632â1675) schreibt sich von seinen patrizischen Interieurs her. Wie erklärt sich aber, daĂ der KĂźnstler in den 1650er Jahren seine Laufbahn mit biblischen und mythologischen Historienbildern begann? Aus welchen GrĂźnden wandte er sich dann später seiner fĂźr ihn typisch gewordenen Spezialität zu? Die vorliegende Untersuchung gibt anhand einer ausfĂźhrlichen stilistischen und ikonographischen Analyse der Edinburgher Historie "Christus im Hause von Maria und Martha" Einblick in die kunstsoziologischen Umstände, die den jungen Vermeer auf eine Karriere als HofkĂźnstler hoffen lieĂen. Erst das unerwartete Ende der kunstpolitischen Konkurrenz zwischen holländischem Patriziat und Oranien-Dynastie zwang Vermeer zum Umdenken. Die Untersuchung schlieĂt mit der Charakterisierung dieser kĂźnstlerischen Neuorientierung, in der der Interieurmaler Vermeer die Ambitionen des Historienmalers zu retten suchte und zugleich in den zeittypischen Widerspruch zwischen allegorischer Weltschau und moderner "Vernunftwissenschaft" hineingerät.