Eine Geschichte über eine Prinzessin mit märchenhaften Fähigkeiten ...
"Die Heilige und ihr Narr" von Agnes Günther hat bereits über viele Jahrzehnte die Leser verzaubert. Der Roman gehört zu einem der meistgelesenen Bücher in Deutschland.
Aus dem Roman:
... Aber an ihrem Weihnachtsgeschenk soll trotz alldem nichts abgebrochen werden. Und die Braunecker Weißtanne macht allen Zollscherereien zum Trotz ihren Weg, und da steht sie nun in der Villa Riposa zwischen den vielen goldenen Spiegeln, dunkel, streng und einfach, denn Rosmarie hat nur Lichter aufgesteckt. Alle möglichen schönen und kostbaren Dinge hat Lisa der Kiste entnommen und auf dem Tisch ausgebreitet, und Miß Granger hat mit etwas zitternden Händen - in der letzten Zeit ist sie recht zitterig geworden - daran herumgezupft. Es kamen auch die köstlichen Braunecker Lebkuchen, die nach uraltem Rezept in der Schloßküche bereitet werden und einen so heimatlichen Duft verbreiten. Die Post hat noch eine Kiste gebracht an Ihre Durchlaucht aus Rom. Soll man das auch öffnen? Lisa macht alle möglichen wilden Zeichen mit einem Stemmeisen in der Luft und schreit: »Open, open!« Miß Granger ist erst fünfzehn Jahre in Deutschland, und man kann es ihr daher nicht zumuten, daß sie die schwere Sprache beherrscht, und namentlich, wenn sie, wie bei der guten Lisa, etwas dialektgefärbt ist. Miß Granger erschrickt, »no, no« und setzt sich konfus und jämmerlich auf einen hellen Morgenrock der Prinzessin. »Die wird immer einfältiger,« denkt Lisa ärgerlich. Und Rosmarie kommt zu ihrer Bescherung herein, langsam und mühselig, und die Lisa erschrickt heftig. Sie sieht ja ihre Herrin jeden Tag, und darum bemerkt sie es nicht so sehr. Aber nun ist's, als sähe sie zum erstenmal genau, wie sie aussieht. Kaum daß sie noch auf den Lippen einen blassen rosa Schein hat, und sie hängt ganz vorne herein. Und die Hände! Wie hat Lisa das übersehen können? - ganz kraftlos und weiß hängen sie herunter mit dicken blauen Adern wie Schnüre darauf. O wenn wir zu Hause und in Brauneck wären! ...