Will Vesper (1882–1962) war über ein halbes Jahrhundert und vier
politische Systeme hinweg als deutscher Dichter und Literaturkritiker
aktiv. Berüchtigt durch seine rassistisch-antisemitische Literaturkritik
im Dritten Reich, erscheint er im 1986 verfilmten Romanessay Die
Reise seines Sohnes Bernward Vesper als prototypischer Altnazi und
Familientyrann.
Die vorliegende Studie entfaltet das Bild eines literarischen Überzeugungstäters,
dessen jahrzehntelanger Kampf gegen die Moderne
immer manischere Züge annahm. Aus dem aufgrund respektabler
literarischer Leistungen auch in liberalen Kreisen angesehenen nationalkonservativen
Lyriker, Erzähler, Herausgeber und Literaturkritiker
wurde ab dem Beginn der 1930er Jahre ein menschenverachtender
antisemitischer Hetzer, der aber sein bibeltreues, protestantisches
Christentum mit dem Nationalsozialismus für vereinbar hielt. Nach
1945 verfasste er pazifistische Erzählungen, hielt aber an seinen nationalsozialistischen
Überzeugungen fest. Vespers Karriere ist ein
beklemmendes Beispiel dafür, wie bei fehlender Toleranz gegenüber
den Werten der ›Anderen‹ aus Idealismus eine menschenverachtende
Vernichtungsideologie erwachsen kann.