(0)

Disziplinierung durch Medizin

E-book


In der DDR konnten MĂ€dchen und Frauen ab dem 12. Lebensjahr in geschlossene Venerologische Stationen zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten zwangseingewiesen werden. Oft reichte dafĂŒr eine Denunziation oder der Verdacht auf eine Geschlechtskrankheit, um von der Polizei, der Heimleitung oder von den Eltern auf eine solche Station gebracht zu werden. Solche im Volksmund oft kurz und derb „Tripperburg“ genannten geschlossenen Stationen gab es in fast jedem Bezirk. Auf den Stationen wurde ohne AufklĂ€rung und EinverstĂ€ndnis der Patientinnen in die körperliche IntegritĂ€t der Frauen eingegriffen. Die MĂ€dchen und Frauen mussten tĂ€glich eine gynĂ€kologische Untersuchung ĂŒber sich ergehen lassen, teilweise ohne medizinische Indikation. Neben der (medizinischen) Versorgung sollten die Patientinnen in einem hierarchisch organisierten Terrorsystem zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ erzogen werden. TĂ€glich mussten sie auf der Station oder in anderen Abteilungen der Poliklinik Arbeiten verrichten. Die MĂ€dchen und Frauen wurden auf den Stationen körperlich wie psychisch gedemĂŒtigt und traumatisiert. Am Beispiel der Poliklinik Mitte in Halle (Saale) wird der Alltag auf einer solchen geschlossenen Venerologischen Station geschrieben. FĂŒr diese Rekonstruktion wurden neben umfangreichen Archivrecherchen Interviews mit ehemaligen Patientinnen sowie mit Ärzten, Krankenschwestern und Mitarbeitern der geschlossenen Venerologischen Station in Halle (Saale) gefĂŒhrt.