Einig ist eine Erzählung von Rainer Maria Rilke.
Auszug:
Frau Sophie goĂ ihrem Sohne Tee ein. Ihre schlanke, vornehme Hand zitterte leise. Der Kranke saĂ ihr gegenĂźber in dem Gobelinsessel und schwieg. Nur seine weiĂen Hände auf den dunklen Armlehnen lebten ihr eigenes, fieberndes Leben. Frau Sophie stellte die Silberkanne, die das ganze Licht des dämmerigen Zimmers zu sammeln schien, auf den Tisch und strich sich Ăźber die weiĂen Scheitel. Dann setzte sie sich in den tiefen Lehnstuhl, und ihr Seidenkleid knisterte dabei. Sie sah mit einem zärtlichen Lächeln hinĂźber zu ihrem Sohn. Und sie bemerkte jetzt nicht die bleichen Wangen des herzkranken jungen Mannes und nicht das leise Beben seiner NasenflĂźgel, das wie das Schwingenschlagen eines Falters war vor dem Sterben; sie fĂźhlte nur, daĂ er nun nach vielen Jahren wieder zu Hause war und daĂ sie die Hände voll unverbrauchter Liebe auf seine Stirn legen und mit ängstlichen Augen die WĂźnsche lĂśsen durfte aus seinen Blicken.