(0)

Fluchtpunkt Rio de la Plata

E-book


Schon seit 1931 waren die Nationalsozialisten in Argentinien aktiv. Ihre AufmĂ€rsche und Siegesfeiern wurden nach 1933 Legion. Auch betrieben sie, Ă€hnlich wie im Deutschen Reich, die "Gleichschaltung" der deutschen Schulen und Vereine. Die nationalkonservative argentinische Regierung tolerierte diese Machenschaften. Unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen flĂŒchteten nach 1933 mehr als 40.000 deutsche Juden an den Rio de la Plata. Trotz vieler Probleme fanden sie Aufnahme in einer Gesellschaft, welche auch liberale Traditionen pflegte und deutschen Juden weitgehend ein Umfeld anbot, in dem sie sich entfalten konnten. Allerdings hatten viele der jĂŒdischen Einwanderer mit einer fremden MentalitĂ€t, Sprache und Kultur zu kĂ€mpfen. Viele von ihnen, vor allem Akademiker, konnten nicht in ihren Berufen arbeiten. FĂŒr sie begann ein neues, oft hartes Leben, teilweise auf dem Land, das ihnen als Stadtmenschen fremd war. JĂŒdische Hilfsvereine, aber auch Argentinier, die ihnen VerstĂ€ndnis entgegenbrachten, unterstĂŒtzen sie finanziell und moralisch und ermöglichten ihnen den Neuanfang.

In der kulturellen Metropole Buenos Aires fanden die meist kulturell aufgeschlossenen deutschen Juden eine neue Heimstatt, sei es in der Musik, den bildenden KĂŒnsten oder dem Theater. In der 1934 gegrĂŒndeten Pestalozzi-Schule, die sich der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten entzog und in der liberale deutsche Lehrer unterrichteten, erhielten ihre Kinder eine offene, freie Erziehung.

Ab 1938 war es deutschen Juden nach VerschĂ€rfung der Einwanderungsbestimmungen nur noch in AusnahmefĂ€llen möglich, nach Argentinien auszuwandern. Dennoch kamen noch Tausende, teilweise ĂŒber DrittlĂ€nder, an den Rio de la Plata. Argentinien, auch unter dem Diktator PerĂłn, wollte keine Einwanderer mehr, welche durch ihre Religion und Kultur nicht in das weitgehend von katholischen SĂŒdeuropĂ€ern geprĂ€gte Land passten. So kam die jĂŒdische Einwanderung allmĂ€hlich zum Erliegen.