"Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas." 2006 wurde dieser Satz bei der
ersten Islamkonferenz vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble geprägt.
Das Zitat verselbstständigte sich, wurde wiederholt und variiert - und
von Anfang an hat es vielfältige Zustimmungs- und Abwehrreaktionen hervorgerufen.
Zwischentöne sind jedoch eher selten zu vernehmen. Dabei gibt es in
Deutschland z. B. Lehrstühle für islamische Theologie, es werden vielerorts
ideologiekritische Auseinandersetzungen geführt, christlich-muslimische Projekte
und christlich-muslimischer Dialog sind aus den Kommunen oft nicht
mehr wegzudenken. Die "Lebendige Seelsorge" möchte gegen antimuslimische
Ressentiments und apologetische Diskurse mit Menschen muslimischen und
christlichen Glaubens und ihren Erfahrungen ins Gespräch kommen.
Die Beiträge von Anja Middelbeck-Varwick und Felix Körner SJ umreißen auf
je eigene Weise den Beitrag des Christentums in einem offenen und gleichberechtigten
Gespräch mit dem Islam. Die Imamin Rabeya Müller blickt aus der
Sicht einer liberalen Muslimin auf die Vielfalt eines Islam, der "keinen Zwang
im Glauben kennt" (Q'uran, Sure 2:256). Die weit über die Grenzen Berlins
hinaus bekannte Ibn Rushd-Goethe-Moschee wird von ihrer Gründerin Seyran
Ateş als Ort einer der Barmherzigkeit verpflichteten Seelsorge vorgestellt. Im
Interview macht Susanne Schröter, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums
Globaler Islam, die Heterogenität muslimischen Lebens und die
Komplexität der Debatten deutlich.
Zwischen den großen Abhandlungen über "den Islam" und "die Muslim*innen"
in politischen, sozialen und religiösen Zusammenhängen gibt es einiges an
"Praxis" zu entdecken: Martin Wrasmann berichtet von der bundesweit ersten
christlich-muslimischen Kindertagesstätte "Kinder Abrahams". Antje Dechert
erzählt von "Gebetsbeduinen", die sich mit stets wechselnden Gebetsräumen
auch das urbane München auf besondere Weise erschließen. Ob junge Muslim*
innen tatsächlich "ganz anders" sind, beleuchtet Bernd Ridwan Bauknecht
mit Blick auf den islamischen Religionsunterricht. Ayfer Dağdemir stellt die
Frage, "wie weiblich" der Koran denkt und beantwortet sie aus islamfeministisch-theologischer
Sicht. Debatten- und Denkräume für Muslim*innen zu öffnen,
hat sich die Alhambra Gesellschaft zur Aufgabe gemacht: Nimet Seker stellt die
Gesellschaft und ihr Programm vor.
Die "Lebendige Seelsorge" macht sich auf Entdeckungsreise in ganz unterschiedliche
Gegenden des konkreten Lebens, Denkens und Glaubens von
Muslim*innen hinein. Lassen Sie sich von dieser Entdeckerfreude anstecken!