In der Rezeptionsästhetik wird die Mitarbeit des Lesers als notwendig für die Sinnkonstitution eines Textes angenommen. Das wirft jedoch die Frage auf, ob dadurch nicht eher Interpretationen in einen Text hinein- als aus ihm herausgelesen werden. Der Beliebigkeit von Interpretation wäre damit Tür und Tor geöffnet. Sind Texte also eindeutig oder mehrdeutig? Gehrig geht in seinen Überlegungen der Frage nach, wie ein Text für verschiedene Interpretationen offen sein kann, ohne beliebig interpretierbar zu werden. Auf der Basis von Rezeptionsästhetik und Semiotik gewinnt er Kriterien für Grenzen der Interpretationsfreiheit, die in den Texten selbst angelegt sind. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, werden an den ersten Zeichenhandlungen Ezechiels in Ez 3,22-5,17 verdeutlicht und verschiedene Beispiele der Leserlenkung herausgearbeitet.