Sie ist jung, sie ist schön, und sie ist stolz – ihr Vater, der alte Graf und Patriarch Benno von Waldenburg, weiß genau, warum er seine Lieblingstochter dazu auserkoren hat, die Herrin auf Schloss Waldenburg zu werden. Es ist die große Überraschung, die er auf der herrlichen Feier anlässlich seines 60. Geburtstags verkündet. Sie führt zum Eklat – denn sein maßloser, ungeratener Stiefsohn Ingo denkt gar nicht daran, auf seine Ansprüche zu verzichten. Er will vor Gericht klagen. Die gräfliche Familie wird unruhige Zeiten erleben.
Die junge Gräfin ist eine Familiensaga, die ihresgleichen sucht. Die junge Gräfin ist eine weit herausragende Figur, ein überzeugender, zum Leben erwachender Charakter – einfach liebenswert.
Ohne ein Gefühl für Zeit und Raum saß Alexandra von Waldenburg auf ihrem Sessel, das Handy fest umklammernd. Nach unendlich langer Zeit, wie es schien, fand sie allmählich in die Wirklichkeit zurück, aber das in erster Linie wohl deswegen, weil sie einen Krampf in ihrer rechten Hand hatte. Sie legte das Handy auf den Tisch, spreizte ihre Finger, um wieder Leben hineinzubekommen, dann strich sie sich, wie erwachend, über die Stirn. Was war das gerade gewesen? Hatte sie geträumt? Am liebsten hätte sie ihre Schwester Sabrina noch einmal angerufen, um sich zu vergewissern, dass sie sich nicht verhört hatte, dass es diesen Anruf tatsächlich gegeben hatte, dass es kein Traum war. Diesen Gedanken verwarf Alexandra so schnell, wie er ihr gekommen war. Da gab es überhaupt nichts zu hinterfragen, Sabrina hatte klar und deutlich gesprochen, und ihre letzten Worte klangen noch in Alexandras Ohren – es liegt nun bei dir, eine Entscheidung zu treffen. Ich würde mir die Chance nicht entgehen lassen, den Mann wiederzusehen, den ich liebe. Alexandra griff nach ihrem noch immer halbvollen Sherryglas, nippte zuerst daran, dann nahm sie einen kräftigen Schluck, stellte das kostbare Kristallglas zurück auf den Tisch, starrte hinein wie eine Hellseherin in ihre Kugel. Sie sah eine goldfarbene Flüssigkeit, ein geschliffenes Glas, in dem sich das Licht brach. Ob sie da hinstarrte oder nicht, die Wahrheit würde sie darin nicht finden, auch keine Entscheidungshilfe. Sie musste in sich hineinhorchen und sich fragen was sie wollte. Nein, diese Frage war nicht richtig. Was sie wollte, das wusste sie ja, sie wollte Joe und niemand Anderen. Sollte sie sich nicht eher fragen, was vernünftiger war für sie? Das war sehr leicht zu beantworten. Wenn es um die Vernunft ging, dann musste sie sich für übermorgen gegen Joe und für Hendrik Hoorgen entscheiden. Bei Joe würde sie sich die Finger verbrennen. Was brachte es denn, ihn zu sehen?