Der Roman „Barackencarlos“ist 1981 erschienen. Es ist der Roman einer Umsiedlerfamilie, die nach dem Krieg in ein Barackenlager am Rande einer kleinen Elbstadt verschlagen wird und dem Vorurteil der ansässigen Städter unterliegt. Der älteste Sohn, Carlos, Klempnerlehrling auf der Schiffswerft, wird von einer Siedlungsbande verachtet, gejagt und gequält. Das Blatt wendet sich etwas, als Carlos den Anführer rettet, der auf einer Eisscholle in die weite, überflutete Aue treibt.
Die neue Gesellschaft in der sowjetischen Besatzungszone stellt Carlos ein Ingenieurstudium in Aussicht, wenn seine Noten gut ausfallen. Ein schönes Ziel, denn er will aus der lumpigen Kleidung heraus, um der hübschen Susanne aus der Beamtenvilla zu gefallen, der Tochter des Personalchefs.
Als Vater Jatzig aus englischer Gefangenschaft zurückkehrt, will er mit Hilfe von Carlos die siebenköpfige Familie aus der Armut ziehen. Der Personalchef bietet dazu schwarze Geschäfte an für seine illegale Firma. Während sie nachts eine versenkte Drehbank aus dem Hafen bergen wollen, kommt Senf, ein kleiner, liebenswerter Gauner und mittlerweile Freund von Carlos, dabei um. Grund genug, Carlos zur Besinnung zu bringen.
Jürgen Ritschel hat ein unverwechselbares Buch geschaffen aus dem Volksleben der Nachkriegszeit, handlungsreich, voller Spannung, oft humorvoll, nicht selten kriminalistisch anmutend und immer den Wahrheitsgeist der Zeit treffend.
LESEPROBE:
Für Carlos ist es Flucht. Wegen der Sache mit dem Eisenbahner kann er nicht mehr jauchzen über das Abenteuer Kohlenklau. Er steigert sein Tempo, rennt jetzt. Vater hält mit. An der Chaussee verschnaufen sie kurz und wittern hinüber zum Güterbahnhof.
„Abgehängt den Köter“, sagt Carlos.
„Weiter!“, befiehlt Jatzig.
Carlos rennt wieder. „Seitenstechen!“, ruft er nach einigen Metern. Er bleibt stehen und krümmt sich leicht.
„Weiter!“, drängt Jatzig. „Die haben unsere Spur.“
„Du hättest den Bahner in Ruhe lassen sollen“, keucht Carlos.
„Dann säßen wir jetzt schon. Er uns oder wir ihn. Und nicht anders!“
Sie hören den Hund wieder. Carlos rennt und versucht gleichmäßig durch die Nase ein- und durch den Mund auszuatmen. Das Stechen verbeißt er. Nach einiger Zeit verliert es sich.
„Und jetzt hundert Meter Richtung Helmdorf abbiegen“, weist Jatzig an. „Dann dieselbe Strecke zurück, über die Straße und nach links in den Feldweg!“
Der Schmerz glimmt immer wieder auf und nimmt Carlos den Atem. „Scheißkohlen!“