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Brennendes Geheimnis

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Brennendes Geheimnis ist eine Novelle von Stefan Zweig. Sie wurde mehrfach verfilmt!

Auszug:

Die Lokomotive schrie heiser auf: der Semmering war erreicht. Eine Minute rasteten die schwarzen Wagen im silbrigen Licht der Höhe, warfen ein paar bunte Menschen aus, schluckten andere ein, Stimmen gingen geĂ€rgert hin und her, dann schrie vorne wieder die heisere Maschine und riß die schwarze Kette rasselnd in die Höhle des Tunnels hinab. Rein ausgespannt, mit klaren, vom nassen Wind reingefegten HintergrĂŒnden lag wieder die hingebreitete Landschaft.

Einer der Angekommenen, jung, durch gute Kleidung und eine natĂŒrliche ElastizitĂ€t des Schrittes sympathisch auffallend, nahm den andern rasch voraus einen Fiaker zum Hotel. Ohne Hast trappten die Pferde den ansteigenden Weg. Es lag FrĂŒhling in der Luft. Jene weißen, unruhigen Wolken flatterten am Himmel, die nur der Mai und der Juni hat, jene weißen, selbst noch jungen und flattrigen Gesellen, die spielend ĂŒber die blaue Bahn rennen, um sich plötzlich hinter hohen Bergen zu verstecken, die sich umarmen und fliehen, sich bald wie TaschentĂŒcher zerknĂŒllen, bald in Streifen zerfasern und schließlich im Schabernack den Bergen weiße MĂŒtzen aufsetzen. Unruhe war auch oben im Wind, der die mageren, noch vom Regen feuchten BĂ€ume so unbĂ€ndig schĂŒttelte, daß sie leise in den Gelenken krachten und tausend Tropfen wie Funken von sich wegsprĂŒhten. Manchmal schien auch Duft von Schnee kĂŒhl aus den Bergen herĂŒberzukommen, dann spĂŒrte man im Atem etwas, das sĂŒĂŸ und scharf war zugleich. Alles in Luft und Erde war Bewegung und gĂ€rende Ungeduld. Leise schnaubend liefen die Pferde den jetzt niedersteigenden Weg, die Schellen klirrten ihnen weit voraus.