Das Familienfest ist eine ErzÀhlung von Rainer Maria Rilke.
Auszug:
In der ersten Betbank erhob sich Herr Stanislaus von Wick, der Bruder des seit acht Jahren verstorbenen »treuen Knechtes Antonius«, und schneuzte seine RĂŒhrung aus. Als die Seelenmesse ĂŒberstanden war, ging Herr Stanislaus, als Familienoberhaupt, voran, und hinter ihm lösten sich ein paar schwarzgekleidete Frauen aus den finsteren BĂ€nken los. Auf der StraĂe reichte er seiner Schwester, der alten Majorin Richter, den Arm, und die anderen folgten zu zweien. Niemand sprach. Alle hatten lichtscheue Augen, die verweint aussahen, und gĂ€hnten vor Hunger und langer Weile. Die Familie sollte bei der Tochter des seligen Herrn Anton, Frau Irene, verwitweten Horn, geb. von Wick, zu Tische sein, und die Frau Majorin schlug ein ihrer BehĂ€bigkeit stetig widersprechendes SchrittmaĂ ein, dessen Ungeduld mit dem pedantischen Trauermarsch ihres steifen Bruders schlecht zusammenpaĂte. Herr Stanislaus merkte das sinnlich-irdische Streben ihrer FĂŒĂe und sagte wie ermahnend: »Der arme Anton.«