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Das gottgelobte Herz : Gesamtausgabe der Werke letzter Hand - Abteilung 1 - Band I - Romane I - Roman aus der Zeit der deutschen Mystik

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In bestimmten "Schwellenzeiten" gelangt eine menschliche Gemeinschaft an Grenzen des zeitgenössischen Denkens und FĂŒhlens. Sie muss dann zu Dogmen verfestigte Ordnungsvorstellungen ĂŒberschreiten, die zuvor dem Zurechtfinden der Menschen noch befriedigende Hilfe zu leisten vermochten. Eine solche Schwellenzeit sieht Kolbenheyer fĂŒr das deutsche Volk im AufblĂŒhen der deutschen Mystik, an der exemplarisch wird, wie volkbedingtes Bewusstsein sich so weit ausdifferenzieren kann, dass es an den aus einer "fremden" (der mediterranen) Welt ĂŒbernommenen (in diesem Falle religiösen) Ordnungsformen kein GenĂŒge mehr findet.

In diese Entwicklungszeit des deutschen Volkes stellt Kolbenheyer in "Das gottgelobte Herz" das Leben einer einzelnen Frau, die Entwicklung ihres Leibes und GemĂŒtes vom Kind zur Reife in der jeweils weltbildenden Gemeinschaft eines in eine reichsstĂ€dtische BĂŒrgerschaft eingebetteten Elternhauses und schließlich des Klosters. Der Autor zieht fĂŒr sein Werk ĂŒberlieferte Nachrichten einer historischen Persönlichkeit heran: der Margarete Ebner († 1351) aus Donauwörth, deren Briefwechsel mit dem Prediger Heinrich von Nördlingen er z. T. wörtlich dem Roman eingliedert.

Dies kann geschehen, ohne dass dem Leser ein Bruch spĂŒrbar wird, weil sich Kolbenheyer mit der wörtlichen Rede der gestalteten Personen der historischen Sprachstufe des Oberdeutschen des 14. Jahrhunderts annĂ€hert. Über seine formalen AnsprĂŒche an das Sprachkunstwerk und insbesondere ĂŒber das hier erwĂ€hnte Gestaltungsmittel – eigentlich ein Gestaltungsanreiz fĂŒr die Nacherschaffung der GefĂŒhls- und Denkwelt der zur Darstellung kommenden Zeit i m L e s e r – hat sich der Autor verschiedentlich geĂ€ußert ("Sebastian Karst ĂŒber sein Leben und seine Zeit"; "Die Dritte BĂŒhne"). Der Leser, der sich nicht scheut, den Roman passagenweise laut zu lesen, wird unschwer die Wirkung einer historisch "wahren" Sprache erproben können.

Das Werk ist der letzte Roman des Autors und erschien zuerst 1938.