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Das Marien-Leben Rainer Maria Rilke

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Rilke wuchs in einem katholisch orientierten Elternhaus auf. SpĂ€ter hat er sich vom christlichen Glauben zwar nicht abgewendet, aber viele Dogmen mehr und mehr kritisch betrachtet. Der Einfluß Friedrich Nitzsches ist ebenfalls erkennbar. Daß er sich mit dem Thema des Marienlebens beschĂ€ftigte, ist vermutlich der intensiven Bekanntschaft mit dem Komponisten Paul Hindemith zu verdanken. Hindemith vertonte Rilkes Gedichtzyklus zweimal.

Rilke stellt Maria als Mutter Jesu in zwei Ebenen dar, der irdischen und der ĂŒberirdischen. Einerseits ist sie die ganz normale Mutter eines Sohnes, auch wenn der sich zu Höherem berufen fĂŒhlt, andererseits empfindet sie die VerkĂŒndigung durch einen Engel als Traumerlebnis. Durch verschiedene Erlebnisse wie die Begegnung mit den drei Weisen MĂ€nnern, die ihr nach der Geburt Jesu Geschenke bringen oder die spĂ€tere Weigerung des TĂ€ufers Johannes, Jesus taufen zu können, der fĂŒr diesen MEHR ist als er selbst, kommen ihr Zweifel an der rein irdischen Entwicklung ihres Sohnes. Rilke hat bewußt das Wort Marienleben durch einen Bindestrich getrennt, um diese Doppelbedeutung zu unterstreichen. Diese Differenzierung wird auch deutlich in Marias Begegnung mit dem Engel, in der Maria in lyrischer Umschreibung die baldige Schwangerschaft angekĂŒndigt wird. Am Ende dieser Begegnung singt der Engel. Welche GlĂŒcksmomente mögen den Engel zum Singen veranlasst haben? Was mag er gesungen haben? Und wie auffallend: der Gedichtzyklus endet mit dem Wort sing. Das ist eine Anspielung auf die angeblich jungfrĂ€uliche EmpfĂ€ngnis. Friedrich Nietzsche spricht diesen Zweifel nur mit hĂ€rtester Eindeutigkeit aus.

GroßzĂŒgig wird Maria mit dem Kind von Josef gerettet, indem sie vor den Kindesmorden des Königs nach Ägypten fliehen. Wieder zurĂŒck in der Heimat verfolgt Maria teilnahmsvoll wie auch angstvoll das Wirken des Sohnes und ahnt das Verderben, in das er sich zu stĂŒrzen beabsichtigt. In der Szene des Hochzeitsfestes zu Kana wird sie von Rilke als stolze Mutter eines bekannten WundertĂ€ters beschrieben. Sie bittet ihren Sohn erfolgreich, den Wein herbeizuzaubern.

Die vorliegende Ausgabe des Gedichtes Das Marien-Leben möchte diese ZwiespÀltigkeit aufnehmen und in Grafiken weniger illustrieren als dokumentieren.