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Das Mysterium Marias

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Die Gestalt der Maria ist in der christlichen Theologie nahezu abwesend, obgleich sie neben Jesus die Mit-Erlöserin der Welt ist. Diese Abwesenheit Marias in den Texten kontrastiert mit ihrer AllgegenwÀrtigkeit in der Kunst und widerspricht dem Eifer, mit dem das christliche Volk nicht aufhört, sich an sie zu wenden.

Luce Irigaray nĂ€hert sich dem Mysterium, das Maria darstellt,und der Rolle, die sie in der Inkarnation des Göttlichen fĂŒr die Menschheit spielt. Wie kann man nicht von der Tatsache berĂŒhrt werden, dass die VirginitĂ€t Marias nicht nur eine natĂŒrliche sein kann, sondern vor allem eine VirginitĂ€t des Atems, der Seele sein muss, die sie dazu befĂ€higt, ein anderes Ereignis des Göttlichen zur Welt zu bringen?

In diesem Licht hat Luce Irigaray die so reiche Ikonographie der VerkĂŒndigung interpretiert, insbesondere das Erwecken und das Teilen des Atems, zu dem der Engel Maria einlĂ€dt. Das Schweigen, das Unsichtbare und das BerĂŒhren, so wesentlich fĂŒr die Gestalt Marias, werden nicht als Zeichen einer bloßen PassivitĂ€t oder Unterwerfung unter einen beliebigen Herrn interpretiert, sondern als Elemente einer weiblichen PrĂ€senz, die imstande ist, in sich das aufzunehmen und zur Welt zu bringen, was noch nicht geschehen ist, sei es auf der menschlichen oder auf der göttlichen Ebene. Dank der Betonung des Atems und der natĂŒrlichen wie spirituellen QualitĂ€ten der Frau erscheint Maria als eine Gestalt der Weisheit, gleich denen, die wir in anderen Kulturen finden, eine mögliche Vermittlerin zwischen verschiedenen Traditionen. Maria offenbart sich also als eine gewissermaßen verhĂŒllte Manifestierung der göttlichen Kraft, dessen TrĂ€gerin und Verantwortliche eine Frau ist.