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Der Marientod von Hugo van der Goes : Distanzen als Gegenstand der Bildanalyse

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Der Marientod von Hugo van der Goes ist ein ganz und gar ungewÜhnliches Gemälde. Im Bild dominiert die fßr das Spätmittelalter untypische Farbe Blau, wodurch sich die dargestellte Szene dem Betrachter zu entziehen scheint. Die Apostel, die sich um Marias Sterbebett versammelt haben, sind in ihrer Trauer vereinzelt und wirken wie erstarrt. Entgegen der Konvention vollziehen sie nicht die Sterberituale.

Auf diese Weise hat das Bild schon Generationen von Kunsthistorikern irritiert, die es als spannungsgeladen, irreal und irrational beschrieben haben. Worauf grĂźnden sich diese Urteile?

Die vorliegende Bildanalyse spßrt den Ursachen der ungewÜhnlichen Wirkung nach, die sich auf einen präzisen Einsatz von Distanzen im Bild zurßckfßhren lässt: Flächen- und Tiefendistanzen, temporale und soziale Distanzen innerhalb des Bildraums - aber auch die realen und imaginären

Abstände zum Betrachter - laufen der Konvention komplett entgegen und mßssen als bewusste Opposition des Kßnstlers zum Zeitgeist verstanden werden. In van der Goes' Bild sprechen Distanzen eine eigene Sprache, die neben dem eigentlichen Thema des Marientodes die Ratlosigkeit der menschlichen Vernunft gegenßber dem Tod zum Ausdruck bringt.