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Fluchgold

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Fluchgold ist eine ErzÀhlung von Isolde Kurz.

Reinlesen:

Der blasse Mann hinter dem Rednerpult war am Schlusse seines Vortrags angekommen. Die Hörer saßen verdutzt und wie benommen. Man befand sich zur Zeit mitten im Weltkrieg, und der Ausrufer hatte sie zu einer vaterlĂ€ndischen Werberede fĂŒr Goldablieferung herbeschieden, sie waren aber, wie ihnen schien, in einen Vortrag ĂŒber Spiritismus geraten. Denn statt von der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Vermehrung des Goldbestandes der Reichsbank zu sprechen, die ihnen schon allsonntĂ€glich von der Kanzel herab ans Herz gelegt wurde, hatte der Redner die Sagen aller Völker herangezogen, um auf den Fluch, der dem Golde im Einzelbesitz anhaftet, ja geradezu auf eine innewohnende DĂ€monie des gelben Metalles hinzuweisen, das sich diesem auf seinem Weg durch Lasterhöhlen und VerbrecherhĂ€nde anhefte und aus der dem jeweiligen neuen Besitzer ein dunkles VerhĂ€ngnis erwachsen könne. Denn diejenigen, die um des Goldes willen ihr Leben verloren hĂ€tten, so fĂŒhrte er aus, der gerichtete Verbrecher so gut wie sein Opfer, könnten auch in der jenseitigen Welt vom Anblick ihres Schatzes nicht lassen, sie zögen ihm ins Haus seines neuen Herrn nach und lockten, um nicht allein die Geprellten zu sein, durch innere ZuflĂŒsterungen einen neuen MissetĂ€ter auf seine Spur. Diese unsichtbare VerfĂŒhrung wußte er so anschaulich zu schildern, daß auch die Freigeister unter den Zuhörern sich einer GĂ€nsehaut nicht erwehren konnten. Besonders als er sich zu der Behauptung verstieg, daß es bisweilen ganz reinen schuldlosen Wesen gegeben sei, die Gegenwart solcher unreinen Geister zu spĂŒren. Und er hatte mit der dringenden Mahnung geschlossen, wer von den Versammelten in diesen schweren Zeiten solch einen unheiligen Schatz in der Wohnung bewahre, der möge ihn ohne Zeitverlust dahin tragen, wo er durch den höheren vaterlĂ€ndischen Zweck entsĂŒhnt und gereinigt werde.