Keine neue Nacherzählung, sondern eine Frage, nämlich die, ob es "1968" gegeben hat, ist Gegenstand dieses Essays. NatĂźrlich hat es das Jahr 1968 gegeben. So wie auch die damit verknĂźpfte Studentenbewegung stattgefunden hat. Aber war "1968" wirklich der Umschlagpunkt, der eine verkrustete, unbewegliche Welt in eine offene Zukunft gefĂźhrt hat? Jedenfalls ist der Mythos "1968" ein Erzählanlass, dem auf den Grund gegangen werden muss. Denn was fĂźr individuelle Biografien gilt â dass sie sich eingängiger erzählen lassen anhand eines kritischen, alles ändernden Ereignisses â, gilt auch fĂźr die Nacherzählung von gesellschaftlichen Entwicklungen: Wenn es einen Kairos gibt, den entscheidenden Moment, durch den das chronologische Nacheinander beeinflussbar ist, lässt sich â im Nachhinein â alles erklären. Da aber auch solche vermeintlichen PlĂśtzlichkeiten nicht einfach vom Himmel fallen, sind auch sie erklärungsbedĂźrftig. Zu klären ist, welche gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen und Veränderungen "1968" mĂśglich gemacht haben. Ob "1968" Ursache oder Effekt von Veränderungen war. Und was davon geblieben ist.