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GegenStandpunkt 1-13

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Drei FĂ€lle von Krise und Krisenkonkurrenz in Europa: Deutschland, Spanien, Österreich

Es gehört zu den Schönheiten des vereinten Europa, dass kein Euro-Staat wissen will, dass und wie sein nationales Kapital und er als dessen machtvoller Förderer zur Überakkumulation und Euro-Krise beigetragen hat. Alle sehen sich mit ihren kapitalistischen Wachstumsanstrengungen und -erfolgen reihum als Betroffene: als Opfer – und zwar der Misswirtschaft der anderen.

Aus deutscher Sicht sind es die ‚PleitelĂ€nder‘, die sich mit der Lizenz, den Euro als ihre WĂ€hrung zu benutzen, in ihrer mangelnden KonkurrenzfĂ€higkeit eingerichtet und, statt Wachstum zu produzieren wie die tĂŒchtigen Nachbarn, nur immer mehr Schulden aufgehĂ€uft hĂ€tten. In dieser Sicht der Dinge wird freilich darĂŒber hinweggesehen, dass zu Schulden, auch und erst recht zu solchen von Staaten allemal ein GlĂ€ubiger dazugehört, der Kredit gibt, um sich zu bereichern. Die bemĂ€ngelten Schulden sind anderswo verbuchte Vermögenswerte: bis neulich erfolgreiche, jetzt aber gefĂ€hrdete FinanzgeschĂ€fte mit den KreditbedĂŒrfnissen europĂ€ischer Standorte und Staaten. In den katastrophalen Bilanzen der Euro-Problemstaaten bilanziert sich zugleich der deutsche Konkurrenzerfolg. In den politischen WiderstĂ€nden, die sie dem deutschen Weg der Euro-Rettung entgegenbringen, zeigen sich andererseits die Schranken, auf die das Projekt eines fĂŒr deutsche Weltmarktmacht tauglichen, nicht nur ökonomisch dominierten Europa stĂ¶ĂŸt. Mit dem Fortgang der Euro-Staatsschuldenkrise steht also ein Hauptkapitel der StaatsrĂ€son der BRD auf dem Spiel.

Umgekehrt machen andere Staaten, deren nationales Wachstum und deren staatliche KreditwĂŒrdigkeit danieder liegt, Deutschland fĂŒr ihre andauernde Misere haftbar: Mit Merkels Weigerung, fĂŒr deren Schulden mit Garantien einzustehen, und ihrem Beharren auf harten Konditionen fĂŒr den Euro-Rettungsfonds wĂŒrgt Deutschland jede Möglichkeit ab, nationales Wachstum in Gang zu bringen, und bevormundet Europa bis zur UnertrĂ€glichkeit, so die Sicht – nicht nur – in Spanien und Italien. Damit wird vornehm verschwiegen, dass diese LĂ€nder bis neulich mit ihrer Teilhabe am Euro und europĂ€ischen Markt massenhaft finanzkapitalistische Spekulation auf sich gezogen und erfolgreich ĂŒber ihre nationalen Schranken hinausgewirtschaftet haben – so dass sie jetzt zu Hauptbetroffenen der Finanzkrise und der politischen Konkurrenz um ihre nationale BewĂ€ltigung geworden sind.

Sandra Maischberger, Anne Will, Frank Plasberg und GĂŒnther Jauch

kĂŒmmern sich um Armut und Reichtum im Kapitalismus

AnlĂ€sslich des regierungsamtlichen „Entwurfs des 4. Armuts- und Reichtumsberichts“ widmen sich gleich vier Talkshows der Sache: „High Society oder Hartz IV: Wer sind die wahren Asozialen?“ (Maischberger) „Mittelschicht in Abstiegsangst – Bleiben die Fleißigen auf der Strecke?“ (Will) „Die Zukunft ist grau: Leben die Alten auf Kosten der Jungen?“ (Plasberg) „Wer kann noch in Wohlstand leben?“ (Jauch) So die Themen, die sich um ein und dieselbe Frage drehen: Geht die Verteilung von Armut und Reichtum hierzulande in Ordnung?

Das zeugt von professioneller Ignoranz: Keine Diskussion wirft einen Blick auf die SphĂ€re, in der Reichtum und Armut zustande kommen. In der Verteilungsfrage von heute ist offensichtlich jede Erinnerung an die Produktion des gesellschaftlichen Reichtums, mit der ĂŒber dessen Verteilung grundsĂ€tzlich entschieden ist, und jedes Bewusstsein von einem Gegensatz von Kapital und Arbeit getilgt. Was bleibt dann?

Eine GegenStandpunkt-Studie ĂŒber Techniken moralischer Urteilsbildung