(1)

Gynopolis : Stadt der dominanten Frauen

E-book


Wir hatten uns ins CafĂ© Baudrillard direkt am Hauptplatz gesetzt. Ein junger Mann, der mit nichts weiter als einem langen Hemd bekleidet war, bediente uns. Von einer Stelle unter dem Hemd war in HĂŒfthöhe eine dĂŒnne Kette gespannt; sie fĂŒhrte zu einem TeewĂ€gelchen, das er hinter sich herzog. Denise entschied sich fĂŒr einen Kaffee, ich fĂŒr eine kleine Flasche Apfelsaft. Die Panoramafenster boten freien Blick auf die Pranger und die von MĂ€nnern gezogenen Rikschas. Vor einem der mittelalterlichen Strafinstrumente, in dem ein beleibter Mann mit hochrotem Kopf steckte, war eine Tafel aufgestellt. "Ich habe heimlich gewichst!" stand darauf mit Kreide geschrieben. - - - "Was fĂŒr ein GefĂŒhl ist das eigentlich?" wollte Denise wissen. "Was meinst du?" - "Na ja, du bist hier als Mann in einer Stadt, in der die MĂ€nner sich versklaven, erniedrigen und zum Deppen machen lassen. Das muß doch irgendwas in dir auslösen?" - "In der Tat. Ich kann das immer noch nicht fassen." - "Was?" - "Daß es so etwas gibt! Eine ganze Stadt, in der sich die MĂ€nner freiwillig unterwerfen lassen. Ist das nun alles echt, oder sehen wir hier nur die Kulissen einer aufwendigen Show? Es gibt Frauen, die haben Interesse an erotischer Herrschaft, und MĂ€nner, die wollen sich gerne unterwerfen lassen. So weit okay. Aber auf Dauer? In diesem extremen Ausmaß, wie das hier angeblich geschehen soll? Tausende von MĂ€nnern, die fĂŒr Jahre nichts anderes tun wollen als dienen?" - - - - - (aus dem Reisejournal des Stefan Maverick) - - - - - Warum ließ Thorsten nichts von sich hören? Was war aus ihm und seiner neuen, dominanten Freundin geworden, mit der er nach Gynopolis gereist war? Ein lukratives GeschĂ€ft durch unbegrĂŒndete Abwesenheit platzen zu lassen war ebenso wenig sein Stil, wie versprochene Sicherheitsanrufe wochenlang zu unterlassen. Ob doch etwas an den GerĂŒchten war, daß manche Sklaven gar nicht mehr freiwilig hier waren? Oder war das nur ein zur Aufgeilung der angepeilten Maso-Klientel geborener Slogan, Ă€hnlich wie das allgegenwĂ€rtige "Wir sind kein Domina-Studio. Wir sind ECHT!" Getarnt als ganz normale Besucher, landen Stefan und Denise, Reporter eines Lifestyle-Magazins, auf der Insel der dominanten Frauen - auf der Suche nach Thorsten und der Wahrheit ...