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heimatlos : Psychoanalytische Erkundungen

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Un-heimlich bestĂŒrzt und fassungslos-verstört in Anbetracht der nĂ€her rĂŒckenden Kriege und des Terrors suchten die Teilnehmer der Jahrestagung 2016 der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft in Stuttgart in VortrĂ€gen, Seminaren und Arbeitsgruppen nach einem Zugang, um sich mit den Ursachen und Folgen von Vertreibung, Entwurzelung, Verlust von Vertrauen und von Geborgenheit auseinander zu setzen und fragten sich mit Jean AmĂ©ry: "Wieviel Heimat braucht der Mensch?"

Viele Millionen Menschen sind heimatlos und auf der Flucht. In unserem Land werden wir an Zerstörungen, Leid und Vertreibungen erinnert, die von Deutschland ausgingen, und wir denken an den Zusammenbruch 1945, in dessen Gefolge Millionen Vertriebene eine neue Heimat suchten. Diese historischen Erfahrungen sind in vielen Familien als psychisches Erbe eingeschrieben, werden wieder lebendig und Ă€ußern sich nicht selten in entstellter Form. Inzwischen haben FlĂŒchtlingsbewegungen auch Mitteleuropa erreicht und schaffen in Deutschland eine ganz neue Situation.

Der Empfang ist sehr unterschiedlich. MitgefĂŒhl und eine große, 2015 sogar ĂŒberschwĂ€ngliche Hilfsbereitschaft zeigen Sicherheit und EinfĂŒhlungsvermögen der hier AnsĂ€ssigen, aber den FlĂŒchtlingen schlagen auch Ablehnung und Feindseligkeit entgegen. Auf eine allen innewohnende ReprĂ€sentanz des Fremden werden einerseits WĂŒnsche und Hoffnungen projiziert, ebenso aber auch alles, was im eigenen Inneren unakzeptabel ist und Angst macht. FlĂŒchtlinge bringen ihre Gewalt- und Todeserfahrungen mit, werden als "Boten des UnglĂŒcks" (B. Brecht) bekĂ€mpft, aber auch als Mutige beneidet. Dabei sind Vertreibung, Flucht, Exil und Auswanderung Teil der Geschichte der Menschheit, und "heimatlos" zu sein ist eine anthropologische Grundkonstante. "Heimatlos" muss nicht nur mit Verlust, Trauer, Schmerz, Trennung, Traumatisierung und Verunsicherung verknĂŒpft sein.