(0)

Ich geh` mal kurz mit dem Hund raus

E-book


Von Flensburg bis zum Nordkap sind es 2800 Kilometer geradeaus und dann links. Mit seinem Rennrad, fĂŒnfzig Kilogramm GepĂ€ck inklusive Hund Camillo macht sich Andy auf den Weg und will die Strecke innerhalb von dreißig Tagen bewĂ€ltigen.

Ein skurriles Duo, dem sich zahlreiche Hindernisse in den Weg stellen: DÀnisches Hundefutter, Regen, schwedische Omas, Regen, die Klosterschule, Regen, Katzen und neben dem vielen Regen ist da noch eine Person, von der Andy am meisten genervt ist: Er selbst. So schnell er auch fÀhrt, er wird immer wieder von sich eingeholt.

"Es ist mittlerweile stockdunkel. Camillo schnarcht. Ich nutze die Regenpause und gehe zum Waschhaus. Es gibt nur einen einzigen Duschraum und der ist besetzt. Ich höre, wie jemand mit einem Abzieher den Boden trocknet. Eine Minute spĂ€ter öffnet eine schmale, etwa fĂŒnfzigjĂ€hrige Frau mit offenen, langen, grauen Haaren die TĂŒr. Sie tritt heraus und wĂŒnscht mir auf Englisch einen guten Abend. Ein weiblicher Gandalf, denke ich mir. Der Abzieher am langen Stock in ihrer Hand unterstĂŒtzt diesen Eindruck noch. Dicke Schwaden Wasserdampf bahnen sich ihren Weg um ihr beiges Kleid nach außen und hinterlassen den Geschmack von Shampoo auf meiner Zunge. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich, dass ihr Kleid ein langer Bademantel ist. Gandalfine stellt den Abzieher auf die Seite, zĂŒndet sich eine Zigarette an und verschwindet in der Dunkelheit. Mir fĂ€llt auf, dass sie kein Handtuch dabei hatte. Erst dann bemerke ich, dass ich sie vollkommen irritiert und stumm angeglotzt habe, als hĂ€tte ich einen Geist gesehen.

Obwohl es etwas modrig riecht, ist die Dusche ĂŒberraschend sauber, was man von meinem Sportdress nicht behaupten kann. Eine Nacht im Wald und das Spritzwasser vom Asphalt haben ihre Spuren an der Kleidung hinterlassen und malen braune Muster auf den gefliesten Boden. Ich fĂŒhle mich lebendig.

In meiner HĂŒtte lege ich alles zum Trocknen auf die Heizung. Camillo atmet laut aus, ohne mich eines Blickes zu wĂŒrdigen, als wollte er mich fragen, wann ich endlich Ruhe gebe. Im Gegensatz zur Dusche sieht die BettwĂ€sche und die Matratze nicht sehr sauber aus. Kurz ĂŒberlege ich, Gandalfine zu fragen, ob sie nicht hier auch noch schnell durchwischen möchte. Ich schaffe es noch, mich in meinen Schlafsack einzupacken, dann schlafe ich ein, bevor ich die Tischlampe ausschalten kann.

Bis zum Nordkap sind es noch 2530 Kilometer."