Im Nachbarhause links ist eine einzigartige Erzählung von Theodor Storm. Sie handelt von einer reichen Witwe und ihrer Beziehung zu einem Stadtsekretär.
Auszug:
Es sind jetzt dreiĂig Jahre, daĂ ich als Stadtsekretär in diese treffliche See- und Handelsstadt kam, in welcher die GroĂ- und UrgroĂväter meiner Mutter einst als einfluĂreiche Handelsherren gelebt hatten. Das derzeit von mir gemietete Wohnhaus stand zwischen zwei sehr ungleichen Nachbarn: an der SĂźdseite ein sauber gehaltenes Haus voll lustiger Kinderstimmen, mit hell polierten Scheiben und blĂźhenden Blumen dahinter; nach Norden ein hohes dĂźsteres Gebäude; zwar auch mit groĂen Fenstern, aber die Scheiben derselben waren klein, zum Teil erblindet und nichts dahinter sichtbar, als hie und da ein graues Spinngewebe. Der einstige Ălanstrich an der Mauer und der mächtigen HaustĂźr war gänzlich abgeblättert, die Klinke und der Messingklopfer mit dem LĂśwenkopf von GrĂźnspan Ăźberzogen. Das Haus stand am hellen Tage und mitten in der belebten StraĂe wie in Todesschweigen; nur nachts, sagten die Leute, wenn es anderswo still geworden, dann werde es drinnen unruhig.