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Lebendige Seelsorge 5/2020 : Freundschaft

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Menschen feiern die Freundschaft. Freundschaften sind symmetrische Beziehungen, die auf gegenseitiger Sympathie beruhen. Sie bereichern das Leben und tragen durch schwierige Zeiten. Auch jene Freundschaften, die ich gerne als Espresso-Freundschaft bezeichne - lange nicht gesehen, kurzer aber dichter Kontakt und es ist, als ob keine Zeit vergangen wĂ€re: "Ein Freund ist ein Mensch, der dich an die Melodie deines Lebens erinnert, wenn Du in der Gefahr bist, sie zu vergessen" (Rolf Zerfaß).

Theodor W. Adorno zufolge ist Freundschaft, wenn "du dich schwach zeigen darfst, ohne StĂ€rke zu provozieren". Und fĂŒr Georges Bataille wird sie ĂŒberhaupt erst durch einen "Fehler in der RĂŒstung" möglich: "Sie erfordert eine Koinzidenz von zwei Rissen, in mir selbst und im anderen." Aristoteles geht sogar noch weiter und definiert Freundschaft gleich als "eine Seele in zwei Körpern."

Aber vielleicht ist es auch nur so, wie Albert Camus schreibt: "Freundschaft ist die Kunst des freien Menschen." In dieselbe Richtung weist Dietrich Bonhoeffer, wenn er sie eine "schöne Kornblume" im Weizenfeld des Zweckrationalen nennt: "Schutzlos wÀchst sie in Freiheit und heiterer Zuversicht, dass man das Leben unter dem weiten Himmel ihr gönne. Neben dem Nötigen will auch das Freie leben."

Und was ist mit Theologie und Kirche? Gleich zwei ihrer Heiligen Schriften sind an 'Theophilus' adressiert - an einen unbekannten Gottesfreund. Und sie handeln von Gott als einem freilassenden und mitgehenden Menschenfreund. Ziemlich aktuell in einer Zeit, in der fĂŒr viele Freundinnen und Freunde die neue Familie sind. Kirche als jesusbewegte 'Wahlverwandtschaft' wĂ€re dann eher freigewĂ€hlter Freundeskreis denn schicksalhafte Pfarrfamilie: "Netzwerk statt Fachwerk" (Martin Hecht).

Vielleicht gilt fĂŒr sie dann ja auch das Lied Gute Nacht, Freunde, in dem Reinhard Mey bei einer letzten Zigarette dankt: fĂŒr den freien Platz am Tisch seiner Freundinnen und Freunde, fĂŒr die Geduld bei verschiedenen Meinungen, fĂŒr die im Kommen und im Gehen jederzeit offene TĂŒr, fĂŒr die Freiheit, die als Dauergast bei ihnen wohnt - und dafĂŒr, dass sie bei alldem nie nach ihrem eigenen Nutzen fragen. Genau deswegen scheint in ihren HĂ€usern auch das Licht wĂ€rmer zu leuchten als anderswo.

Das wÀr doch was, auch in der Pastoral - meint Prof. Dr. Christian Bauer.