In den 25 fiktiven Gesprächen seines 1864 anonym publizierten Buches »Dialogue aux enfers entre Machiavel et Montesquieu« konfrontiert Maurice Joly (1829 – 1878) das Vertrauen in die freiheitssichernde Kraft der demokratischen Institutionen mit der bleibenden Gefahr der Wiederkehr eines diktatorischen Gewaltstaats.
Die ungemindert aktuelle Schrift von zeitlosem philosophischen Rang entfaltet die Möglichkeiten zur Aushöhlung des demokratischen Staatswesens durch den gewissenlosen Mißbrauch des Legalitätsprinzips und die Manipulation der öffentlichen Meinung.
In Jolys Dialogen siegt Machiavelli, der Verfechter des Gewaltprinzips, über Montesquieu, den Fürsprecher einer auf die Prinzipien der Moral und des Rechts verpflichteten Politik und Staatsordnung; doch dieser fatalen, von der Geschichte seither mehrfach bestätigten Konsequenz der Gespräche hält Joly einen Satz entgegen, der die wahre Intention seines Buches offenbart: »Aber das öffentliche Gewissen lebt noch, und der Himmel wird sich doch noch eines Tages in das Spiel einmischen, das gegen ihn selbst gespielt wird.«
Anlaß zur Niederschrift der »Gespräche« bot das autoritäre Regime (1852–1870) Napoleons III. Joly wollte mit seinem Buch die »Breschen und Abgründe« aufzeigen, durch welche die bürgerlichen und menschlichen Freiheiten in der modernen Gesellschaft so verheerend zerstört wurden – es wurde 1864 zum ersten Mal beschlagnahmt.
Weit berühmter als das lange verschollene Original wurden die berüchtigten, ihm über lange Passagen hin zum Teil wortwörtlich entnommenen »Protokolle der Weisen von Zion«, die wohl folgenreichste Fälschung der Moderne; die in alle Weltsprachen übersetzten »Protokolle« begründeten den Mythos von der jüdischen Weltverschwörung und stützten so die absurde These des Antisemitismus im 20. Jahrhundert, es gäbe einen Plan der Juden zur Unterwerfung der Welt. Die Intention von Jolys Streitschrift wird hierbei ins genaue Gegenteil verdreht.