Manches muss man nicht selbst erleben, um sich vorstellen zu können, welche Probleme es verursacht. So wird etwa auch ein Busfahrer, der sich sein Leben lang gesunder Beine erfreut, niemanden, der sich mit Gehhilfen seinem Fahrzeug nähert, zur Eile mahnen, und er wird ihm unaufgefordert die hintere Tür öffnen. So werden die Probleme des blinden Nachbarn auch ohne nähere Erklärung klar sein, und niemand wird seinen guten Geschmack bezweifeln, wenn in seiner Wohnung keine Bilder hängen. Und jeder Chef wird sich zumindest ungefähr vorstellen können, was es bedeutet, wenn ein Mitarbeiter an Krebs erkrankt.
Aber wie ergeht es Menschen mit ME/CFS, einer Krankheit, die starke Einschränkungen in allen Lebensbereichen verursacht, und viele Betroffene zu Pflegefällen macht? Was erleben sie im Kontakt mit Lehrerinnen oder Verwandten, Nachbarn und Vorgesetzten, und vor allem mit Ärztinnen und Ärzten? Leiden sie doch an etwas, wovon nur die wenigsten Leute jemals gehört haben, und das von einem Großteil jener Wenigen für ausgedacht oder eingebildet gehalten wird.
Dieses Buch ist der Versuch, sämtliche Fragen zu ME/CFS, die kein tiefergehendes medizinisches Verständnis erfordern, zu beantworten, mit den sich um die Krankheit rankenden Mythen aufzuräumen und die von Betroffenen geäußerten Bedürfnisse verstehbar zu machen. In überwiegend erzählender Form wird eindrücklich vermittelt, was es bedeutet, mit dieser noch immer wenig bekannten und beachteten Krankheit leben zu müssen.