"Ein Pogrom kann man nach Belieben machen â mit zehn Opfern oder mit zehntausend, ganz nach Wunsch."
FĂźrst Sergej D. Urusov in der russischen Staatsduma, 1906
Russland war das Land der Pogrome, so sah es zumindest die europäische Ăffentlichkeit um 1900. Deshalb bĂźrgerte sich auch in den meisten Sprachen das russische Wort "Pogrom" fĂźr diese Form von meist antijĂźdischer Gewalt ein. Aber was machte die Pogrome aus? Wer waren die Akteure? Geschahen sie spontan oder organisiert? Und warum war ihre Zahl gerade im Russischen Reich so hoch?
Antworten findet Stefan Wiese in den Handlungen aller Beteiligten, also der Täter, der Opfer, der Zuschauer und der Vertreter der Staatsmacht. Jede Gruppe verfßgte ßber spezifische Ressourcen und verfolgte eigene Ziele, jede Gruppe beobachtete die ßbrigen und handelte dementsprechend. Aus dieser Dynamik ergaben sich Situationen, die Gewalt ermÜglichten oder verhinderten. Laut Stefan Wiese waren bei Judenpogromen Strategien und Ressourcen der Akteure wichtiger als das Erbe des Antisemitismus. Ein vergleichender Blick auf Pogromgewalt gegen Armenier, Deutsche und die Intelligenzija bestätigt das.
Stefan Wiese zeigt, was Pogrome sind, wie sie beginnen, vollzogen werden und wie sie enden; er räumt mit Vorurteilen auf, kontextualisiert die Pogrome neu, betont die Kontingenz von Raum und Gelegenheit und untersucht das Verhalten der staatlichen Organe. Mit seinem Buch ßber eine spezifische Form kollektiver Gewalt in den letzten Jahrzehnten des Russischen Reiches liegt eine beeindruckende, analytisch und sprachlich herausragende Phänomenologie des Pogroms vor.