Auf einmal wird es richtig gefĂ€hrlich fĂŒr Franzi:
In diesem Augenblick hört sie erneut ein Knacken hinter sich, ein Rascheln und schnelle, knirschende Schritte. Vernimmt das GerĂ€usch zurĂŒckschnellender Zweige. Sie will sich umdrehen, kommt aber nur halb dazu. Sie sieht ein Paar Hosenbeine, ein Paar dunkelbraune Lederschuhe. Dann ist ihr die Sicht durch eine Decke genommen, die ihr ĂŒber den Kopf geworfen wird. Zwei Arme umschlingen sie so fest, dass sie sich nicht wehren kann. Eine nuschelnde, krĂ€chzende, offenbar verstellte Stimme sagt: âRuhig, Franzi, ruhig, bleib ganz cool! Wenn du still bist, geschieht dir nichts. Ich werd dir was erzĂ€hlen, und du hörst zu, okay?â
Was heiĂt okay, Franzi hat keine Wahl! Sie bleibt ganz und gar nicht cool, aber sie verhĂ€lt sich mucksmĂ€uschenstill, nickt nur unter der Decke. Der Schrei, den sie ausstoĂen wollte, ist ihr im Hals steckengeblieben.
âIhr hört auf, nach dem Obdachlosen zu suchen, verstanden! Auf dem See ist nichts passiert, du hast dich gestern geirrt!â WĂ€hrend der Fremde spricht, zerrt er Franzi vom Wasser weg hinter einen Strauch.
âVerstanden? Du hast nichts gesehen!â, wiederholt der Mann. Ein Mann ist es bestimmt; denn die FĂ€uste, mit denen er sie gepackt hĂ€lt, sind eisenhart.
âJaâ, haucht Franzi verzweifelt und muss unter der alten, kratzenden Decke husten.
Kurze Zeit spĂ€ter ist das MĂ€dchen wieder frei, aber sie hat nicht gesehen, wer sie da ĂŒberfallen und eingeschĂŒchtert hat. Ihre beiden Begleiter, Nicole und Max, mit denen sie auf der Schlangeninsel nach Spuren des verschwundenen Obdachlosen gesucht hatte, haben von der ganzen, gemeinen Aktion nichts mitbekommen. Und aus Angst traut sie sich auch nicht, ihnen davon zu erzĂ€hlen.
Aber immerhin weiĂ sie jetzt, dass sie am Freitagmittag beim Baden richtig beobachtet hatte, dass jemand mit einem Motorboot einen Schwimmer ĂŒberfahren und keine Hilfe geleistet hatte. Der Schwimmer, der danach nicht wieder aufgetaucht war, könnte Kilian gewesen sein, ein Landstreicher, wie ihn mancher Bewohner der Bungalowsiedlung am See nahe Berlins bezeichnen. Kurz nach diesem UnglĂŒck war sie mit ihrem Vater, der ihr wie auch ihre Mutter kaum glauben wollte, schon einmal mit dem Boot ĂŒber den See und zur Insel gefahren. Aber sie hatten weder Kilian noch irgendwelche verdĂ€chtigen Spuren entdecken können. Und auch spĂ€ter finden sie, ihre neue Freundin Nicole und Max, ein Junge aus einem Nachbardorf, nichts. Der Obdachlose scheint den Ort verlassen zu haben. Aber stimmt das?