Lev SemjonoviÄ Vygotskij (1896-1934) ist eine herausragende Persönlichkeit in der Psychologie des 20. Jahrhunderts. Obgleich seine Konzeption der âZone der nĂ€chsten Entwicklungâ unterdessen psychologisches Allgemeingut ist, ist er als Methodologe, als Entwicklungspsychologe aber auch als Philosoph nahezu unbe-kannt geblieben. Neben der Verbannung seiner Schriften in der Stalin-Ăra ist dies der KomplexitĂ€t und Unabgeschlossenheit seines Werkes sowie der noch ausste-henden Veröffentlichung umfangreicher Teile seines Nachlasses geschuldet.
Die aufgrund nicht immer guter Ăbersetzungen zusĂ€tzlich schwierige Rekonstruk-tion verlangt vor allem die ErschlieĂung des theoretischen und methodologischen GerĂŒstes des Gesamtwerks. Von hier aus ist die inhaltliche AusfĂŒhrung von Vy-gotskijs Psychologie zu rekonstruieren und unter Aufgreifen des heutigen Stands der Wissenschaft neu zu diskutieren. Die Erkenntnis, dass das SpĂ€twerk Vygotskijs ab November 1932 nochmals durch ein gĂ€nzliches Neudenken des inneren Zu-sammenhangs psychischer Prozesse in Entwicklung gekennzeichnet ist, innerhalb dessen erst der Begriff der âZone der nĂ€chsten Entwicklungâ seine Figur gewinnt, verweist auf die Notwendigkeit, diese Entwicklungskonzeption als ganzes zu re-konstruieren. Zudem ist Vygotskij der weitgehend einzige Psychologe, der die krisenhaften ĂbergĂ€nge in der Entwicklung des Kindes ins Zentrum einer Entwick-lungskonzeption stellt, die ĂŒberdies ĂŒber grĂŒndliche neuropsychologische ebenso wie linguistische und kulturwissenschaftliche Fundamente verfĂŒgt.
Jan Steffens legt hier die erste ausfĂŒhrliche Rekonstruktion des Krisenbegriffs im Werk von Vygotskij vor. Es zeigt sich eine auĂerordentlich moderne Konzeption, weit ihrer Zeit voraus, die ebenso im Einklang mit moderner entwicklungspsycho-logischer Forschung steht wie weitere Impulse fĂŒr diese gibt.
Ein Vorwort von Wolfgang Jantzen fĂŒhrt in Vygotskijs dialektische Krisentheorie ein â unter Aufgreifen ihrer philosophischen Fundamente.