Mein Mörder war plötzlich da.
Ich hatte nicht einmal gehört, wie er durch die Tür gekommen war.
Schritte.
Ich wartete.
Ich sah seine Silhouette.
Die große, kühne Nase - so gerade und lang wie ein Pistolenlauf.
Ich sah die Entschlossenheit in denn Linien seines Gesichts. Mir war dieser Ausdruck vertraut. Es war der unbedingte Wille zu töten.
Der Mann hielt eine automatische Pistole in der Hand. Mit Schalldämpfer - damit es nicht so einen Krach machte, wenn er mich umbrachte.
Denn genau das hatte er vor.
Mich umbringen.
Einen anderen Grund, in meine Wohnung einzudringen konnte ich mir nicht vorstellen.
Ich kenne mich ganz gut mit Waffen aus. Aber das Fabrikat konnte ich trotzdem nicht genau erkennen. Spätestens, wenn er damit einen Schuss abgab, würde sich das ändern. Nur war es dann vielleicht für mich zu spät.
Der Mann kam noch etwas näher. Wie er in meine Wohnung gekommen war, hatte ich nicht mitbekommen. Wie auch? Ich hatte geschlafen.
Ein Luxus, den man sich besser nicht gönnen sollte.
Ich blieb ganz ruhig. Die entsicherte Waffe hielt ich in der Rechten.
Als er mich sah, war er überraschter als ich. Vor allem wohl deshalb, weil er ein paar Kugeln in den Bauch bekam. Ich gab ihm keine Chance, auch nur einmal abzudrücken. Immer wieder drückte ich ab. Sein Körper zuckte. Das Gesicht wirkte wie ein Fleisch gewordenes Fragezeichen, während sich sein Hemd blutig färbte. Die Projektile traten aus seinem Rücken wieder aus und schlugen in die Wand. Ein Spiegel dahinter wurde blind.
Der Kerl sackte in sich zusammen. Ein einziger Schuss löste sich doch noch aus seiner Waffe, ging aber in den Boden.
Als ich ihn ausgestreckt vor mir liegen sah, atmete ich tief durch.
Ich steckte die Waffe ein. Ich hatte Durst, ging in die Küche, nahm mir ein Glas Mineralwasser und trank es leer.
Und dann hörte ich auch schon die Polizeisirenen. Ich sah aus dem kleinen Fenster in der Küche. In New York sind die Mieten hoch und jeder Quadratmeter ist kostbar. Die Küche war dementsprechend eng. Um ehrlich zu sein, ich hatte sie kaum je benutzt. In meiner Zeit bei der Legion habe ich zwar gelernt, wie man kocht. Notfalls auch mit sehr einfachen Mitteln. Im Tschad gab es nicht immer gleich ein gutes Restaurant oder wenigstens eine McDonald-Filiale um die Ecke. Und ich habe Dinge zu essen gelernt, die andere Leute nicht einmal anfassen würden. Aber wer alles isst, kann überall überleben. Wie auch immer. Ich sah aus dem Fenster und dachte: Gleich werden die Cops hier sein. Irgendwie hatte ich es in den Eiern, dass die Sirenenwagen meinetwegen unterwegs waren.
Und ich hatte auch das Gefühl, dass da jemand was ziemlich geschickt gedreht hatte.
Verdammt, dachte ich.
Aber jetzt musste ich da wohl durch.
Ich nahm mir eine Tasse Kaffee aus der Thermoskanne. So viel Zeit musste sein.
Cover: Steve Mayer