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Gefangen am anderen Ende der Welt

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Es ist heute kaum noch bekannt, dass wĂ€hrend des Ersten Weltkriegs die Kriegsgegner England und Japan Tausende deutsche Zivilisten und Soldaten in Ostasien (Ceylon, Hongkong, Japan) und in Australien gefangennahmen. In den von England beherrschten Gebieten wurden ab 1916 alle Gefangenen nach Australien verbracht, wĂ€hrend die vom deutschen Pachtgebiet Kiautschou – an der OstkĂŒste Chinas gelegen – gegen die Japaner kĂ€mpfenden Soldaten nach der verlorenen Schlacht im November 1914 in verschiedenen Lagern des asiatischen Inselstaates inhaftiert wurden; davon ausgenommen waren kriegsverletzte FrontkĂ€mpfer, die gemĂ€ĂŸ Vereinbarung zwischen England und Japan zunĂ€chst nach Hongkong und dann nach Australien verfrachtet wurden. Im Hauptlager Holdsworthy, sĂŒdwestlich von Sydney gelegen, befanden sich rund 7.000 Kriegsgefangene, die ĂŒbrigen, im Lande verteilten Camps (zum Beispiel Rottnest Island, Bourke, Trial Bay, Langwarrin, Torrens Island, Berrima, Molonglo) waren fĂŒr eine erheblich geringere Anzahl von Gefangenen ausgelegt. Die Deutschen nutzten – sowohl in Japan als auch in Australien – die Zeit und entwickelten viele kulturelle und gesellschaftliche AktivitĂ€ten. Einen großen Raum nahm das Theaterspiel ein, es bildeten sich Orchester, Sprachgemeinschaften und auch der Sport kam nicht zu kurz. In einigen Camps wie zum Beispiel im Hauptlager Bando in Japan, aber vor allem auch in Holdsworthy in Australien blĂŒhte der ‚Handel‘, indem die Internierten innerhalb des Lagers kleine ‚GeschĂ€fte‘ (BĂ€ckerei, Fleischwarenfabrik, ZigarrengeschĂ€ft, CafĂ©) ‚eröffneten‘ oder ihre Dienste anboten entsprechend ihren FĂ€higkeiten (WĂ€scherei, Rasiersalon, FotogeschĂ€ft, Brausebadeanstalt), was den Akteuren ein kleines Zubrot einbrachte und zur Selbstverwaltung und -versorgung beitrug. Die von Gefangenen selbst hergestellten Lagerzeitungen bedeuteten Unterhaltung, eine wertvolle Informationsquelle und Hilfe in verschiedenen Lebenslagen, da sie ja von der Außenwelt abgeschnitten waren. Anders als ihre Landsleute im Deutschen Reich genossen sie – fern der Heimat – ein relativ sorgenfreies Leben.