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Marcus Tullius Cicero (106–43 v. u. Z.)

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Marcus Tullius Cicero war »der erste Humanist«, schreibt Stefan Zweig

(1940). Warum der erste, warum gerade damals, was bedeutet »Humanist

« im ersten Jahrhundert v. u. Z., eineinhalb Jahrtausende vor der

Erfindung des Berufsnamens umanista?

Cicero ist ein »neuer Mann« (homo novus), ein Aufsteiger, ein engagierter

Anwalt, vorbildlicher Beamter, der letzte Verfechter der Adelsrepublik

und ihrer Freiheit. Er ist erklärter Zivilist, kein Pazifist; er

verteidigt römischen Imperialismus, Kolonialismus, Sklaverei. Cicero

ist Philhellene, Philosoph und Politiker, bekennender Anhänger der

skeptischen Akademie, ein Zweifler aus Prinzip. Aber er vertritt die

stoischen Lehren von Natur und Vernunft.

Der Begriff humanitas – »Humanität, Menschheit, Menschlichkeit,

Menschsein« – wird in Ciceros Reden, philosophischen Dialogen

und Briefen sehr häufig gebraucht. »Humanität« ist bestimmt durch

»Mitgefühl, Barmherzigkeit, Milde«; sie steht gegen »Grausamkeit«

und »Rohheit«. Deswegen ist »Entrohung« und »Bildung« wichtigste

Aufgabe der menschlichen Sozietät. Mit seinem Diskurs »Humanität

«, Natur und Vernunft, Entrohung und Barmherzigkeit, Republik

und Freiheit setzt Cicero in dem gewalttätigen, von Ungleichheit und

Repression gezeichneten letzten Jahrhundert der römischen Republik

einen Anfang des europäischen Humanismus. Es ist nur ein Anfang, es

gibt noch andere Ansätze, und es gibt Fortschritte der humanistischen

Bewegung. Aber, so sagt man, »der Anfang ist die Hälfte des Ganzen«.