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Meine Ur-Oma in der Buschschule

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Der Brauch war so alt, dass er Eingang in die griechische Mythologie gefunden hat, und zwar in Form der Geschichte vom MĂ€dchen Kore, das vom Gott Hades in die Unterwelt verschleppt wird. TatsĂ€chlich kletterten die eingeschulten Knaben und MĂ€dchen in einen brunnenartigen Schacht und befanden sich dann angeblich in der Unterwelt. FĂŒr ihre Verwandten galten sie als gestorben. In der Buschschule wurden sie mit den Pflichten und Rechten eines Stammesmitglieds vertraut gemacht und rituell in Erwachsene ver-wandelt.

Zugleich damit war der Brauch so zĂ€h, dass er in Mitteleuropa bis ins frĂŒhe Mittelalter von Generation zu Generation weitergereicht wurde, trotz der unzĂ€hligen Wanderun-gen, Kriege, Seuchen und Hungersnöte. Erst nach der Verbreitung des Christentums haben die Menschen auf ihn verzichtet. In RumĂ€nien und in der Ukraine ĂŒberlebte er in Form der MĂ€dchen-Spinnstube bis ins 20. Jahrhundert.

Nach dem Verschwinden des Brauchs aus der sozialen Wirklichkeit begann man von ihm zu erzĂ€hlen - in der SpĂ€ten Bronzezeit entstanden die Urformen unserer ZaubermĂ€r-chen, im Mittelalter die Sagen von den hilfreichen Zwergen und Saligen FrĂ€ulein. In der europĂ€ischen Folklore sind die ZaubermĂ€rchen von den geraubten Königstöchtern au-ßerordentlich gut vertreten. Deshalb wĂ€hlte der Autor sie als Ausgangsbasis bei dem Versuch, den Brauch zu rekonstruieren.