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Totgeschwiegen

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Es waren keine englischen Mordbanditen und keine Mitglieder einer angloamerikanischen Bande, deren RĂ€delsfĂŒhrer aus dem Westen in die DDR gekommen war, und keine ausgebufften Spione, die Schuld am Tod des 19-jĂ€hrigen Seepolizisten GĂŒnter Harder tragen, der am 24. MĂ€rz 1951 nahe dem Pferdemarkt erschossen wurde. Die Ermittler der Mecklenburger Landesverwaltung des jungen Ministeriums fĂŒr Staatssicherheit, von denen zwei hochrangige Offiziere mit fremden bzw. frisierten LebenslĂ€ufen Karriere gemacht hatten, brauchten einen propagandistischen Erfolg im sich verschĂ€rfenden Kalten Krieg gegen die Bundesrepublik. Nur einen Monat nach Festnahme von drei charakterschwachen disziplinlosen und egoman orientierten Neubrandenburger Jugendlichen, fand vor mehr als 2000 aus ganz Mecklenburg nach Neubrandenburg gebrachten WerktĂ€tigen ein Schauprozess statt, an dessen Ende nach Wunsch von StaatssekretĂ€r Erich Mielke eine Todesstrafe stehen sollte.

Kurz vor dem VIII. Parteitag der SED wurde der letzte TĂ€ter 1971 amnestiert. Der zweite hatte sieben Jahre zuvor in Neubrandenburg Selbstmord verĂŒbt, wĂ€hrend der erste nach einer vorzeitigen Entlassung auf BewĂ€hrung sofort in den Westen flĂŒchtete und in Bielefeld sein Leben beschloss.

In Neubrandenburg erinnerte 40 Jahre ein Sportstadium an GĂŒnter Harder und 20 Jahre eine stadtgeschichtlich bedeutsame Straße in der Oststadt. Dazu trugen Pionierfreundschaften, Produktionskollektive, Einheiten der Volksmarine und ein Schiff der DDR-SeestreitkrĂ€fte seinen Namen, der mit der Wende in Stadt und Land aus dem kollektiven GedĂ€chtnis gestrichen wurde, weil nach dem Willen der SED das pflichtbewusste Handeln eines jungen Polizisten bei der Festnahme eines Kriminellen unbedingt als Vorbild fĂŒr das beispielhafte Klassenbewusstsein eines jungen Genossen herhalten sollte.

Nur GĂŒnter Harder war kein Genosse.