Die große Arztserie "Die Klinik am See" handelt von einer Frauenklinik. Gerade hier zeigt sich, wie wichtig eine sensible medizinische und vor allem auch seelische Betreuung für die Patientinnen ist, worauf die Leserinnen dieses Genres großen Wert legen.
Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete.
Neuhausen, eine knapp Tausend-Seelen-Gemeinde, war nicht groß. Es hatte auch nichts Besonderes zu bieten. Jedenfalls nichts, was Touristen und Erlebnishungrige angelockt hätte. Zwischen den in alpenländischen Stil erbauten Häusern war wenig von Leben und Betriebsamkeit zu merken. Der ganze Ort, eingebettet zwischen den Schlierseer Bergen, strömte eine geradezu himmlische Ruhe aus. Einen Touristenboom, wie er an vielen anderen zwischen und an den Bergen dieses Teils von Bayern gang und gäbe war, gab es hier nicht. Wahrscheinlich war es auch diese Ruhe, die eine Ruhe von gut betuchten, aber auch gestreßten Geschäftsleuten aus der Großstadt dazu inspiriert hatte, sich in diesem etwas abseits von den verkehrsreichen Straßen liegendem Ort niederzulassen, um irgendwann einmal den Lebensabend in dieser idyllischen Abgeschiedenheit zu verbringen. Das war auch bei Katharina Seelinger der Grund gewesen, in Neuhausen seßhaft zu werden. Ihr Haus, von den Einheimischen Villa Seelinger genannt, war eine gutgelungene Mischung von Bungalow und alpenländischem Fachwerkbau. Es stand an einem sanften Hang oberhalb des Ortes und war von einer fast mannshohen Hecke umgeben. Von den Fenstern der oberen Etage konnte man ganz Neuhausen überblicken, bis hinüber zur Ostseite des Wallberges. Vor Jahren, als ihr Mann noch lebte, war Katharina Seelinger ganz zufällig in diese Gegend gekommen und hatte sich gerade in dieses Haus verliebt. Ihr Mann hatte es dann noch kurz vor seinem Tode gekauft, und sie war kurzentschlossen in dieses Haus eingezogen, während ihr Mann noch die letzten paar Monate bis zu seinem Tode in der Stadtwohnung in München verbracht hatte, die sein Sohn aus erster Ehe nun bewohnte. An diesem, ihrem Stiefsohn, hatte sie bisher keine große Freude gehabt. Lothar Seelinger war ihr zu haltlos. Sein Lebenswandel gefiel ihr nicht. Er war jetzt fast dreißig Jahre alt, hatte es immer noch nicht zu etwas gebracht und lebte eigentlich nur von dem Geld, das sie ihm laut einer testamentarischen Verfügung ihres verstorbenen Mannes jeden Monat zukommen ließ. Wenig war das nicht gerade. Dafür mußten andere in seinem Alter schwer oder zumindest angestrengt arbeiten. Dennoch war er stets knapp bei Kasse, besonders in dem letzten halben Jahr, seit er eine Barsängerin als Freundin hatte, die er als seine Verlobte ausgab.