Hans Rothfels (1891-1976) war einer der einfluĂreichsten Historiker der frĂźhen Bundesrepublik. Seine geschichtswissenschaftliche Tätigkeit erstreckte sich vom Ersten Weltkrieg bis in die sechziger Jahre. Dabei vollzog sie sich unter verschiedenen politischen Systemen und aus unterschiedlichen akademischen wie biographischen Positionen heraus. In der Weimarer Republik machte er als nationaler Junghistoriker eine aufstrebende Karriere, bis er nach dem Januar 1933 aus rassistischen Motiven ausgegrenzt wurde. Im amerikanischen Exil fĂźhrte er seine Beschäftigung mit der deutschen Geschichte fort und kehrte 1951 mit einer hohen moralischen Reputation nach Deutschland zurĂźck. Die vielfachen politischen und lebensgeschichtlichen BrĂźche, die Rothfels erlebte, fĂźhrten dazu, daĂ er in seiner Historiographie immer wieder neue historische AnschlĂźsse herzustellen versuchte, um den Verlauf der jĂźngsten Geschichte jeweils sinnvoll deuten zu kĂśnnen. An Rothfels' Beispiel wird damit eine spezifische wissenschaftliche Reaktion auf den historischen Wandel des 20. Jahrhunderts greifbar. Jan Eckel analysiert in einem diachronen Längsschnitt die Bedingungsfaktoren von Rothfels' wissenschaftlicher Produktion und verortet seine Geschichtsschreibung im Fachzusammenhang. Vor diesem Hintergrund wird seine Historiographie als eine Form der intellektuellen Verarbeitung von gegenwärtigen Beobachtungen und Erfahrungen interpretiert.