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Vertraute Fremde

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Vorworte zu BĂŒchern sollen und können sehr nĂŒtzlich sein, weil sie schon ein wenig die Richtung der Reise anzeigen, auf welche der jeweilige Autor oder die jeweilige Autorin Leserinnen und Leser mitnehmen wollen, was sie erwarten können und worauf sie neugierig sein dĂŒrfen.

Das Vorwort von Hendrik Röder zu diesem Band, fĂŒr den Sigrid Grabner all jene Essays, PortrĂ€ts, Betrachtungen und literarischen Skizzen herausgesucht hat, in denen sie ihr VerhĂ€ltnis zu den wenigen essenziellen Fragen dieser Welt offenlegt, erfĂŒllt solche Erwartungen – es zeigt die Richtung der Lesereise an, deutet das Erwartbare an und es macht neugierig. Worauf?

Laut Röder scheut sich Sigrid Grabner nicht, und das ganz unzeitgemĂ€ĂŸ und im besten Sinne des Wortes konservativ, die Frage nach Wahrheit, Glaube oder Macht zu stellen. Immer wieder geraten jene Frauen aus der Geschichte ins Blickfeld, die offenbar ein anderes VerhĂ€ltnis zu der ihnen gegebenen Macht entwickelt haben als ihre mĂ€nnlichen Widerparts. Neben Christine von Schweden ist die Autorin gleichermaßen von Maria Theresia fasziniert, ihrer tapferen Gegenwehr gegenĂŒber Friedrich dem Großen, der nicht mĂŒde wurde, die Habsburger in endlose TerritorialkĂ€mpfe um Schlesien zu verstricken und dafĂŒr nicht zuletzt sein „lebhaftes Temperament“ verantwortlich machte. Sie machte Frieden, so der Titel, ist vielleicht das KernstĂŒck dieses Bandes, weil hier ein zentrales Thema der Autorin berĂŒhrt wird, der Frage nach mĂ€nnlichen und weiblichen Machtstrategien.

Wie so oft gibt die Auswahl der Protagonisten ein StĂŒck des Eigenen preis, lassen sich anhand der PrĂŒfungen, denen sie ausgesetzt waren, eigene Vorstellungen, Tugenden und auch VersĂ€umnisse ablesen. Um auf das Eigene zu kommen, sind Umwege nötig. Insofern ist dieses Buch eine Sammlung von Umwegen der Autorin bis heute. Folgerichtig schließt der Band mit einem persönlichen, offenen Brief an ihren Enkel Paul. Darin stellt sich die Frage nach dem Eigenen, den IrrtĂŒmern und der juvenilen Selbstgerechtigkeit, die man gern weit von sich schiebt. Was hat man gewusst? Was getan? Vielleicht empfiehlt es sich, die LektĂŒre mit diesem Brief am Schluss des Bandes zu beginnen.

Zu den Protagonisten des Grabner-Buches gehören Mahatma Ghandi, Henning von Tresckow, Emmi Bonhoeffer und Christine von Schweden. Und wie gesagt, der letzte Text, der „Brief an meinen Enkel“, der ist unbedingt lesenswert. Vielleicht, wie von Vorwort-Verfasser Hendrik Röder vorgeschlagen, sogar als allererstes LesestĂŒck.