Vorwort
Als unser ehemaliger Präsident Erich Moll vor über vier Jahren an uns herantrat und im Hinblick auf die österreichischen PhilosophielehrerInnen, die immer auch psychologisch gebildet sein müssen, das Thema „Widerstand“ für eine Tagung in Südtirol vorschlug, die auch für deutsche und italienische Fachkollegen interessant sein sollte, wussten wir noch nicht, wie brisant und aktuell das Thema werden würde. Mit dem Arbeitstitel „Sand im Getriebe“ ging es ihm um den positiven Wert widerständigen und kritischen Denkens, das in sich ruhende Persönlichkeiten braucht, die Wert- und Zielbewusstsein haben und sich nicht manipulieren lassen. Ursprünglich schwebte ihm eine Tagung vor, auf der hauptsächlich in Gruppen an didaktischen Konzepten gearbeitet werden würde. Umso trauriger ist es, dass wir in dieser Publikation nur drei Beiträge haben, die sich direkt mit der praktischen Umsetzung des Themas beschäftigen. Doch viele der Beiträge weisen in die oder berichten von einer Praxis: Die Vorgänge um den Maidan, unter den Regimes von Trump und Erdogan, obwohl man an die Kraft demokratischer Institutionen glauben konnte, der arabische Frühling, aber auch innereuropäisch anlässlich des Reformationsjubiläums, das mit Luthers Devise der Kritik an kirchlichen Autoritäten und der Aufforderung selber zu lesen und sich sein Urteil selber zu bilden, als Vorläufer aufklärerischen Denkens gesehen werden kann, wie unser ehemaliger Präsident Werner Busch ausführt. Die unglaublichen Vorgänge in der ehemaligen DDR, die – gewaltfrei – zum Fall der Mauer führten, der Protest nicht nur argentinischer Frauen gegen Feminizid und sexuelle Gewalt, aber auch das Erstarken des Rechtspopulismus und er entsprechenden Gegenbewegungen, die zu einer neuen Debattenkultur in der Politik geführt haben, all dies macht deutlich, wie wichtig eigenständiges Denken und Handeln geworden ist, auch wenn es Zivilcourage und die Neubelebung der antiken Tugend der Tapferkeit erfordert. Denn auch unsere modernen europäischen Gesellschaften entwickeln in Wirtschaft, digitalen Medien und in einer bürokratisierten Verwaltung viele System-zwänge, die nicht mehr die Menschen im Auge haben. Wir sind also dankbar, dass die Tagung im letzten Jahr durch die Hilfe unseres Mitglieds Prof. Ivo di Gennaro, dem Leiter der Akademie für deutsch-italienische Studien in Meran, ebendort stattfinden konnte und bedanken uns herzlich für das Engagement der Tagungsorganisatoren. Ihnen wünschen wir eine anregende Lektüre, aus der sie unschwer Ideen für mögliche Umsetzung in Praxis und u.a. auch für die Menschenrechtsthematik gewinnen können, wie wir hoffen.